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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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fasse es einfach nicht.»
    Die Traube löst sich auf, die Mannschaft verschwindet in Richtung Pavillon und in den Umkleiden. Irgendjemand trägt Jeffrey die Crickettasche. Die Spieler aus Blackburn schlurfen schmollend davon, die Hände in die Hüften gestemmt. Langsam leert sich das Oval. Der Tag neigt sich der Dämmerung entgegen.
    Eliza und ich setzen uns. Wir halten uns nicht mehr an den Händen, doch ich bin mir nur allzu bewusst, dass unsere Schultern sich berühren. Eine Weile sitzen wir schweigend da, und mit der Zeit wird mir wieder unbehaglich zumute.
    Als die Sonne sich verflüchtigt, beugt sich Eliza ein wenig vor.
    «Kann ich dir ein Geheimnis verraten?», fragt sie.
    Ich versuche in ihrem Gesicht zu lesen. Hat es etwas mit Laura zu tun? Das muss es. Ganz bestimmt. Was weiß sie? Welche Seiten dieser Geschichte hat sie die ganze Zeit über an ihre Brust gedrückt? Was weiß sie über jene Nacht? Ich bin mir nicht sicher, ob ich bereit bin, es zu hören. Nicht heute. Nicht jetzt.
    «Klar», sage ich zurückhaltend und mit einem kurzen Nicken.
    «Also», Eliza wird rot und zupft an ihren Haaren. «Es ist dumm. Aber … Ich habe die letzten beiden Wochen jeden Tag vor dem Buchladen gewartet und so getan, als würde ich mir Taschenbücher ansehen, aber in Wirklichkeit habe ich gehofft, dass du vorbeikommst.»
    Mein Magen ist ein Bienenkorb. Mein Kopf dreht sich wie ein Windrädchen. Ich habe Staub in der Kehle. Wieder weiß ich nicht, was ich sagen soll. Nie habe ich die richtigen Worte parat. Ich schlucke und muss heftig blinzeln.
    «Na ja. Ich war … ich hatte Hausarrest. Ich konnte nirgendwohin gehen. Wahrscheinlich hast du mich deshalb …»
    «Ich weiß», sagt sie, «deshalb war es ja so dumm. Ich wusste, dass du Hausarrest hast und nicht plötzlich auftauchen wirst, aber ich bin trotzdem immer wieder hingegangen.»
    «Moment, du hast es
gewusst
? Woher wusstest du, dass ich Hausarrest habe?»
    «Der Sergeant hat meiner Mutter am nächsten Tag alles erzählt, und sie hat es mir gesagt. Du weißt schon, dass du dich weggeschlichen hast, um mich zu sehen.»
    «Oh», sage ich verblüfft.
    Wir sitzen in einer Blase der Stille. Es ist Eliza, die sie platzen lässt.
    «Ich finde dich wirklich süß, Charlie. Und ich wünschte, du hättest es an dem Abend geschafft, zu mir zu kommen.»
    Lächelnd dreht sie sich zu mir um. Ich bin verängstigt. Und beglückt.
    «Du hast wirklich süße Grübchen», versuche ich es. «Auf deinen Wangen, weißt du.» Dann deute ich auf ihr Gesicht, als müsse ich ihr ganz genau aufzeigen, wo ihre Grübchen sitzen. Ich bin ein Idiot. Mein Esprit, der kurzzeitig in Fluss gekommen war, ist verebbt. Der Strom ist versiegt. Mein Mund ist trocken, unbeweglich, nutzlos.
    Aber.
    Dann.
    Mark Twain mag zu allem eine Meinung gehabt haben. Er mag den Witz besitzen, der mir fehlt, und über Formulierungen verfügen, die ich einfach nicht zustande bringe. Er mag mit der Aura der Erfahrung schreiben und mit seiner Wörterschar Lachen, Trauer oder Zorn heraufbeschwören können. Er mag betören und erhellen, anrühren und deprimieren. Er mag uns ganze Welten schenken, in denen wir wandeln, und große Augen, mit denen wir schauen können. Doch nicht einmal Mark Twain könnte beschreiben, wie weich die Lippen eines Mädchens sind, wenn man sie auf seinen eigenen spürt.
    Eliza Wishart hat mich geküsst. Sie küsst mich. Hier, unter diesem Baum. Es ist wunderbar, aufregend und beängstigend. Es gibt nichts, was damit vergleichbar wäre. Nicht einmal annähernd. Meine Haut spannt sich und juckt, mein Nacken brennt und prickelt.
    Wir lösen uns voneinander, und ich bin gleichzeitig erleichtert und enttäuscht. Sie lächelt verlegen. Wahrscheinlich tue ich das Gleiche.
    «Das war schön», sagt sie.
    «Ja, war es», sage ich.
    Zitternd und unsicher schauen wir uns an. Ihre Lippen sind rot und feucht und sehen ein bisschen geschwollen aus. Sie duftet unglaublich. Ich kann es nicht beschreiben. Und Mark Twain ebenso wenig.
    «Wollen wir es noch mal machen?», fragt sie und beißt sich auf die Lippe.
    Ich Idiot verkneife mir ein Schulterzucken.
    «Von mir aus. Ich meine, ja. Aber nur wenn du willst. Was natürlich nicht heißen soll, dass ich nicht will, denn das will ich.»
    Zum Glück bringt sie mich zum Schweigen. Sie beugt sich vor, und ich tue es ihr nach. Es ist so viel leichter beim zweiten Mal, wenn man weiß, was kommt. Wir sitzen regungslos da. Konzentrieren uns nur noch auf diese weiche

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