Wer hat Angst vorm bösen Mann?
seiner Opfer verspeiste. Dabei hatte er das Gefühl, dass es so ein Teil von ihm werde. «Menschenfleisch schmeckt wie Rind», berichtete Dahmer den verhörenden Polizisten. [25] In den letzten Wochen vor seiner Verhaftung aß er praktisch nichts anderes. Um seine bizarren Mahlzeiten schmackhafter zu machen, probierte er verschiedene Gewürzmischungen, Gemüsebrühen und Fleischzartmacher aus. Um die Leichen verschwinden zu lassen, experimentierte er mit diversen Säuren und Chemikalien, die Knochen und Fleisch in einen übelriechenden schwarzen Schlamm verwandelten, den er die Toilette hinunterspülen konnte.
«Ich habe nicht aus Hass gemordet, sondern aus Liebe», betonte Dahmer später. [26] Er konnte Zurückweisung und Verlassenwerden nicht ertragen. «Ich hatte nur ein Motiv, nämlich eine Person, die ich körperlich attraktiv fand, komplett zu kontrollieren und so lange wie möglich bei mir zu behalten, selbst wenn das bedeutete, dass ich nur einen Teil von ihr zurückbehielt», erklärte er. [27] Er bohrte seinen Gefangenen Löcher in den Schädel und spritzte Salzsäure in den Frontallappen des Gehirns. Manche der Opfer starben sofort, aber manche vegetierten bis zu ihrem Tod noch einige Tage wie willenlose Zombies dahin.
Bereits 1988 hatte Dahmer in Milwaukee einem dreizehnjährigen laotischen Jungen 50 Dollar angeboten, wenn er von ihm Fotos machen könne. Er betäubte ihn mit Beruhigungsmitteln und belästigte ihn sexuell, wurde aber nicht gewalttätig und hatte auch keinen Verkehr mit ihm. Ein unglaublicher Zufall: Der Nachname des Jungen war Sinthasomphone – der ältere Bruder von Konerak, den Dahmer später, 1991 , töten sollte. Für die Tat an Sinthasomphone wurde er wegen «Ausbeutung eines Kindes» und sexueller Belästigung schuldig gesprochen. In dem Gerichtsverfahren hatte der Staatsanwalt eine Haftstrafe von mindestens fünf Jahren gefordert, seine Begründung: «Es ist kristallklar, dass Dahmers Sozialprognose extrem schlecht ist. Er erscheint kooperativ, aber dahinter sitzen schwerste psychologische Probleme und eine tief verwurzelte Wut.» [28] Der Verteidiger argumentierte dagegen, Dahmer brauche eine Psychotherapie, keine Gefängnisstrafe. Dass er einen Job habe, spreche für ihn. Drei Psychologen forderten die Einweisung in die Psychiatrie und eine intensive Therapie. Dahmer hielt vor dem Gericht eine wohlformulierte Rede zu seiner eigenen Verteidigung. Er bedauerte seine Tat zutiefst, führte sie auf seinen sporadischen Alkoholgenuss zurück, versprach Besserung und bat die Jury inständig, ihm seinen Job zu lassen. Er wurde nach sechs Monaten auf Bewährung freigelassen. Wegen Arbeitsüberlastung wurden die monatlichen Hausbesuche bei dem angepasst erscheinenden Delinquenten bald eingestellt.
Was die Richter nicht wussten: Kurz vor dieser Gerichtsverhandlung hatte Dahmer den Afroamerikaner Anthony Sears, ein Fotomodell, in seine Wohnung gelockt, ihn erdrosselt und ihm den Kopf abgesägt. Diesen kochte er aus, und er malte den Schädel mit grauer Farbe an, sodass er im Falle einer Entdeckung wie ein Plastikmodell aussah, wie es Medizinstudenten benutzten.
In den nächsten fünfzehn Monaten nach seiner Entlassung begann Dahmer eine Killerorgie, die zwölf Männer das Leben kostete. Die meisten der Opfer waren Angehörige der schwarzen, asiatischen oder hispanischen Minderheiten, die, wie es im Polizeijargon heißt, einen «Hochrisiko-Lebensstil» führten.
Aber wie konnte es dazu kommen? Warum wurde Dahmer ein Mörder und Menschenfresser? Eine schwere Kindheit? Missbrauch in der Jugend? Ein Schädelhirntrauma? Alkoholabhängigkeit der Eltern? Und warum wirkte Dahmer im Gespräch mit anderen Menschen so kontrolliert, so intelligent, besonnen und ordentlich? Er war geistreich, witzig und hatte ein gewinnendes Lachen, sagten Leute, die ihn kannten.
Es war nicht viel, was die psychiatrischen Gutachter bei ihrer Suche nach einer verkorksten Kindheit herausfanden. Er kam aus einem wohlsituierten Elternhaus. Jeffreys Mutter war depressiv und häufig krank; die Eltern stritten sich oft. Sein Vater, ein Doktor der Chemie, war mehr bei der Arbeit als zu Hause. Als Jeffrey achtzehn war, wurden die Eltern geschieden. Seine Mutter verließ mit seinem Bruder Dave das Haus, sodass Jeffrey praktisch allein war. In der Schule war er ein extrem schüchterner Einzelgänger, der gelegentlich Schnaps in die Schule mitbrachte. Trotz eines IQ s von 145 war er ein Schulversager. Eigentlich sei er
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