Wer hat Angst vorm bösen Mann?
sehr nett gewesen, nur wenn er betrunken war, brauchte es fünf Polizeibeamte, um ihn zu bändigen, wie seine Stiefmutter berichtete. «Ich habe nie verstanden, was seine Seele so ruiniert hat. Da fehlte etwas, was wir ‹Gewissen› nennen», klagte sein ratloser Vater. [29]
Das ist jedoch alles, was wir über seine Kindheit wissen. Reichen diese Erkenntnisse aus, zu erklären, warum jemand zum nekrophilen Serienkiller wird?
Im Gerichtsprozess ging es darum, ob Dahmer für seine Taten zu verantworten oder ob er als geisteskrank und somit schuldunfähig anzusehen sei. Während der Staatsanwalt darauf abhob, dass Dahmer seine Morde kaltblütig und geplant begangen habe und deswegen die Höchststrafe verdiene, verfolgten Dahmers Rechtsanwälte die Strategie, er sei psychisch krank und nicht voll verantwortlich – allein die Abartigkeit seiner bizarren Taten sei ja wohl ein Beweis für eine Geisteskrankheit. Die Jury hielt Dahmer aber für voll schuldfähig für fünfzehn Morde und verurteilte ihn zu 957 Jahren Gefängnis.
Menschen, die Kinder ermorden, haben meist ein schweres Leben in einer Haftanstalt, und in einem amerikanischen Knast ist dieses Leben in der Regel kurz. Dahmer wurde daher zur Vorsicht von seinen Mithäftlingen isoliert, nachdem er knapp eine Messerattacke durch einen Kubaner in der Gefängniskapelle überlebt hatte.
Aus nicht nachvollziehbaren Gründen wurde er jedoch eines Tages in Portage, Wisconsin, mit Christopher Scarver zusammengelegt, einem schwarzen schizophrenen Doppelmörder. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie Scarver, der unter Verfolgungswahn litt, auf Dahmer reagierte, der so viele schwarze Jungen umgebracht hatte. Noch ein dritter Mann kam hinzu: Jesse Anderson, ein Weißer, der seine Frau umgebracht hatte, aber die Schuld einem Schwarzen in die Schuhe hatte schieben wollen.
Am Morgen des 28 . November 1994 ließen die Gefängniswärter die drei unbeaufsichtigt eine Toilette reinigen. Kurz danach fanden die Wachen die Leichen von Dahmer und Anderson. Scarver hatte ihre Schädel mit einer Hantel aus dem Fitnessraum zertrümmert.
Jeffrey Dahmer ist ein Beispiel für die schlimmste Form der Persönlichkeitsstörungen, der antisozialen Form. Erstaunlich ist für uns, dass ein solcher bestialischer Mörder seine Mitmenschen blenden und in Sicherheit wiegen kann. Das ist eine häufige Eigenschaft solcher Menschen – oft mit fatalen Folgen.
Abgesägte Frauenköpfe
Was ist falsch gelaufen, wenn Menschen zu Bestien werden und perverse Grausamkeiten begehen, die sich kein Produzent von Splatterfilmen widerlicher ausdenken könnte? Was treibt Menschen dazu, andere nur um des Mordens willen zu töten? Unterweger, Holst und Dahmer ging es ja nicht nur um Sex. Die höchste Lust empfanden sie nicht bei ihren Vergewaltigungen, sondern beim grausamen Töten ihrer Opfer. Vergewaltiger sind nicht notwendigerweise von einem überstarken Sexualtrieb befallen; es geht ihnen auch um die narzisstische Gratifikation und Selbstbestätigung durch die Tat.
Psychiater haben sich immer wieder Gedanken gemacht, welche verschlungenen Pfade der Seele Menschen zu solchen blutgierigen Untaten verleiten. Die ersten Versuche, unverständliche, abscheuliche Verbrechen zu erklären, gab es in der Tiefenpsychologie. Hier werden kriminelle Entwicklungen in der Regel durch unbewusste Vorgänge gedeutet. Eine häufig herangezogene Erklärung ist ein «Ambivalenzkonflikt» mit der Mutter – einem Widerstreit zwischen enger Bindung einerseits und dem Wunsch nach Loslösung von der Dominanz der Mutter andererseits, also eine Mischung aus Verehrung und Hass. Diese Interpretation drängt sich förmlich auf, denn viele Serienmörder wählten sich weibliche Opfer, die ihrer Mutter ähnlich sahen und manchmal auch älter waren als die Täter.
So wurden zum Beispiel in den fünfziger Jahren die Taten des nekrophilen und kannibalischen Frauenmörders Edward Gein als Auseinandersetzung mit seiner besitzergreifenden Mutter gedeutet. Als sie starb, stopfte er sie aus und bahrte sie zwölf Jahre lang in seinem Schlafzimmer auf – diese Szene diente als Vorlage für Alfred Hitchcocks Film
Psycho
. In Geins Haus im US -Bundesstaat Wisconsin fand man die Teile von fünfzehn weiblichen Leichen. Sein besonderes Interesse galt der Haut der toten Frauen, die er ablöste, gerbte und daraus praktische Haushaltsgegenstände herstellte: Armbänder sowie vier Rohrstühle, deren Sitzflächen aus
Weitere Kostenlose Bücher