Wer hat Angst vorm bösen Mann?
wirkte innerlich leer, unsicher, gelangweilt und freudlos.
Dann war sie plötzlich zwei Jahre lang verschwunden. Und verschwunden bedeutete in der Vor-Internet-Zeit wirklich verschwunden – niemand wusste etwas über ihren Verbleib. Als sie wieder gesund und munter auftauchte, erschien sie komplett in Orange gekleidet. Sie bezeichnete sich als eine «Sannyasin», ihr Name sei jetzt «Ma Deva Kata». Sie hatte sich der Bhagwan-Sekte angeschlossen und war in den vergangenen zwei Jahren in Poona (heute Pune) gewesen, in Indien. Um den Hals trug sie eine schlichte Halskette mit 108 schwarzen Kugeln und dem Bild des Gurus Bhagwan Shree Rajneesh. Den Käfer, die Stereoanlage und mehrere zehntausend Mark hatte sie der Sekte überlassen, aber sie bereue nichts. Ihre Berichte vom Ashram, einem großen Tempel, in dem Hunderte Anhänger des Gurus lebten, erweckten den Eindruck, als ob sie in einer großen Ferienanlage gelebt hatte – Club Meditation statt Club Méditerranée. Zwar musste man dort spartanisch leben, früh aufstehen, in der Küche Kartoffeln und Möhren schälen und die Latrinen schrubben, bekam aber dafür eine Lautsprecher-Dauerberieselung mit Weisheiten durch den Meister persönlich. Oder, wenn ihm das Asthma zu schaffen machte, vom Tonband. Und man war mit vielen jungen oder auch älteren Sozialarbeitern, Studenten, Künstlern, Psychotherapeuten oder Lehrern zusammen, mit denen man tiefgründige und intellektuelle Gespräche führen konnte. Bilder von Therapiesitzungen in Poona, bei denen alle nackt waren, gingen damals um die Welt. Ohne Einzelheiten zu verraten, deutete Katharina an, viel schönen Sex mit gleichgesinnten Erleuchteten gehabt zu haben.
Die größte Änderung, die man bei Katharina nach ihrer Rückkehr wahrnahm, lag nicht in ihrem Späthippie-Outfit mit Mala-Kette, sondern in ihrem verklärten Gesichtsausdruck – wie von einem anderen Stern. Katharina wirkte merkwürdig entrückt, ganz entspannt im Hier und Jetzt. Ihre großen braunen Augen schienen noch größer geworden zu sein. Am irritierendsten war ihr gelassener, zufriedener Blick, der auszudrücken schien: «Ich weiß etwas, was du nicht weißt.» Lästereien ihrer Mitstudenten ließ sie mit einem Lächeln an sich abprallen, das überlegene Weisheit andeutete und das Gegenüber zutiefst verunsicherte.
«Dieser feiste Guru mit dem Dauergrinsen hat sie einer Gehirnwäsche unterzogen», sagten manche ihrer ehemaligen Freunde. «Na und?», entgegneten andere. «Sie scheint glücklicher zu sein als früher. Gut, sie hat ihr ganzes Geld dagelassen, aber dort war immer Partystimmung, es war warm in Indien, sie hatte genug Sex und hat zu sich selbst gefunden.»
Ist es wirklich so verkehrt, sich einer Sekte anzuschließen? Offensichtlich hatte Katharina Glück und Seelenfrieden gefunden. Was kann daran falsch sein?
Wie gründe ich eine Sekte? Ein einfacher Ratgeber in neunzehn Schritten
Wenn ein Mann wirklich eine Million Dollar verdienen will, wäre es das Beste, eine eigene Religion zu entwickeln.
L. Ron Hubbard, Gründer von Scientology
Streben Sie nach Wohlbehagen, Zufriedenheit und beruflicher Anerkennung? Wollen Sie, wann immer Sie es wünschen, Sex mit schönen Frauen oder Männern haben? Wollen Sie unermessliche Reichtümer besitzen? Wollen Sie diese drei Dinge alle gleichzeitig? Dann sollten Sie Popstar oder Diktator werden. Oder Sie halten sich an die folgende Kurzanleitung für Sektenführer:
Bilde eine einfache Theorie, nach der jeder glücklich werden kann, wenn er nur auf deine Worte hört. Fasele etwas vom himmlischen Weg, von göttlichen Prinzipien, ultimativer Wirklichkeit, harmonischer Energie, spiritueller Heilung, endgültigem Weltfrieden und tieferem oder höherem Bewusstsein. Gib etwas Mystik und buddhistisches Gedankengut dazu sowie ein paar orientalisch umformulierte Weisheiten aus dem Bauernkalender.
Verbreite deine schlichten Erkenntnisse unter den Einsamen, den Armen, den unterdrückten Minderheiten, den sinnsuchenden Heranwachsenden, den seelisch Labilen, den psychisch Kranken, den Drogenabhängigen, den Straffälligen und den neurotischen Lehramtsstudentinnen.
Glorifiziere deine Herkunft. Verschweige deine kinderpsychiatrische Behandlung wegen ADHS und deine Vorstrafen wegen Drogenbesitzes oder Vergewaltigung. Deute deine uneheliche Geburt in eine Jungfernzeugung um.
Überzeuge deine Anhänger, alle ihre Ersparnisse, Arbeitslöhne und Renten an deine Organisation abzuführen. Nimm ihnen alles weg,
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