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Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Titel: Wer hat Angst vorm bösen Mann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Borwin Bandelow
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Stuhl oder Urin und musste deshalb nie auf die Toilette gehen.
    Als er erwachsen wurde und das erste Mal im Leben Golf spielte, punktete er gleich 38 unter Par. Er hatte ein «Doppelbrot mit Fleisch» entwickelt, das so erfolgreich wurde, dass es die Amerikaner fälschlicherweise unter dem Namen «Hamburger» als ihre Erfindung ausgaben. Er wurde der prominenteste Staatsmann der Welt. In allen Ländern der Erde feierte man seinen Geburtstag begeistert mit Festivals.
    Diese Fakten lernten die nordkoreanischen Kinder in der Schule über ihren früheren Diktator Kim Jong Il.
    Von gelegentlichen ausländischen Besuchern oder übergelaufenen Funktionären erfuhr man, dass der «geliebte Führer» Kim Jong Il die Benz- und Audi-Oberklasse bevorzugte, einen Weinkeller mit 10 000  Flaschen pflegte und jährlich 700 000  Dollar für Hennessy-Edelbranntwein springen ließ. Hummer und Kaviar balancierte er mit silbernen Essstäbchen, die angeblich Gift entdecken konnten. Wie sich im Jahr 2000 bei einem Treffen mit dem südkoreanischen Präsidenten Kim Dae Jung herausstellte, hatte der Nordkoreaner, was Alkohol betrifft, eine Konstitution wie Keith Richards, denn er schaffte zehn Glas Wein und etliche weitere Alkoholika ohne Pupillenstillstand.
    Der Cineast hatte in seinem siebenstöckigen «Pleasure Palace» eine private Videosammlung mit 15 000  Filmen, darunter
Rambo
und
Freitag der 13 .
Eigens ließ er den berühmtesten südkoreanischen Regisseur, Shin Sun Ok, kidnappen, der nach mehrjähriger Umerziehung in einem Lager für ihn einen
Godzilla
-Film mit Namen
Pulgasari
drehen musste. Kim komponierte auch Opern, die allerdings nur lokal erfolgreich waren. Er wurde Tag und Nacht von zahlreichen ausnehmend wohlgestalteten und intelligenten jungen Frauen umsorgt, berichteten ausländische Gäste. Er trug zehn Zentimeter hohe Absätze, um seine Größe von einem Meter siebenundfünfzig zu kompensieren. Eines Tages hieß es, der Präsident habe eine neue Wunderdroge gegen Kleinwuchs entwickelt. Wer sich in der Hauptstadt Pjöngjang meldete, um sie auszuprobieren, bekam allerdings keine medizinische Behandlung, sondern wurde aus der Metropole deportiert, wie auch alle Behinderten und psychisch Kranken – der gottgleiche Despot wollte solche Leute nicht in den Straßen seiner geliebten Hauptstadt sehen.
    Obwohl Kim Weisheiten von sich gab wie «Menschen, die nicht mit dem Computer umgehen können, sind die Idioten des 21 . Jahrhunderts, so wie Raucher und Musikbanausen», [233] mussten seine Untertanen auf die Freiheit im Internet verzichten.
    Kim wurde 1974 als Nachfolger seines Vaters Kim Il Sung eingesetzt, der das Land hermetisch gegen die Außenwelt abgeriegelt hatte. Der Sohn erhielt vorsorglich den Titel «Ewiger Präsident», um jedwede Zweifel hinsichtlich eventueller Wahlen von vornherein auszuschließen. Dieser Wunsch einer lebenslangen Präsidentschaft erfüllte sich – Kim Jong Il starb 2011 an einem Herzinfarkt, wahrscheinlich als Folge seines auf Völlerei ausgerichteten Lebensstils mit Cognac- und Sushi-Gelagen. Er verschied ausgerechnet in einem Zug – er hatte immer Angst vor dem Fliegen. Seine Nachfolge trat sein Sohn Kim Jong-Un an, der dritte Kim in der Dynastie, der derzeit keinerlei Anstalten macht, irgendetwas an der verzweifelten Lage seines hungernden Volkes zu ändern. Dafür spricht, dass er Politiker, die nicht ausreichend über den Tod seines Vaters trauerten, standrechtlich erschießen ließ.
    Auch wenn alle diese Geschichten von Regierungskreisen nicht offiziell bestätigt wurden, so ist offensichtlich die Diskrepanz zwischen dem Leben der Funktionäre und den bettelarmen Massen in keinem Land derart unerträglich wie in Nordkorea. Die Liste der Grausamkeiten ist unendlich. Ein Zehntel der Bevölkerung ist bereits verhungert, mindestens 50 000  Menschen darben in Lagern ohne Doppelbrot mit Fleisch, und die Übrigen leben auch nicht viel besser.
    Wie kann es zu solchen grotesken Diktaturen kommen, die sich der britische Schriftsteller George Orwell in seinem Roman
1984
nicht besser hätte ausdenken können? Immer wieder spekulierten Wissenschaftler, wie größenwahnsinnige Herrscher à la Hitler, Stalin und Mao Tse-tung Millionen Menschen ins Verderben schicken konnten.
    Nationen gehen kaum freiwillig in den Abgrund. Meist schaffen es Diktatoren durch Wahlfälschung, Pressezensur und Geheimdienste, ihre Untertanen in Schach zu halten, selbst wenn sie 90  Prozent der Bevölkerung gegen sich

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