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Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Titel: Wer hat Angst vorm bösen Mann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Borwin Bandelow
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verübte und der davon überzeugt war, dass eine zu laxe Einwanderungspolitik zum Untergang des Abendlandes führen werde.
    Borderline-Persönlichkeiten
können ebenfalls zu Attentätern werden: Sie lieben das Risiko, hängen nicht so sehr am Leben, bevorzugen es, gegen den Strom zu schwimmen, und sind gegenüber eventuellen Opfern gleichgültig. Auf magische Weise können sie andere Gruppenmitglieder faszinieren, können aber auch ein starkes Abhängigkeitsverhältnis zu einem Anführer der Terrorgruppe entwickeln. Ihre übertriebene Zuneigung kann jedoch plötzlich in Hass umschwenken. Wegen ihrer häufigen Stimmungsschwankungen könnten sie sich als eher unzuverlässig erweisen. Es wäre nicht gerade typisch für einen Borderline-Terroristen, sich als «Schläfer» jahrelang akribisch und diszipliniert auf eine minutiös geplante Tat vorzubereiten – allein ein Soforterfolg würde sie reizen. Ihre Neigung zu impulsiven Suiziden könnte sie zu gefährlichen Selbstmordattentätern machen.
    Zuletzt gibt es noch die
abhängigen Persönlichkeiten
, die man meist unter hörigen Gefolgsleuten der narzisstischen, paranoiden und antisozialen Anführer findet. Sie sind oft diejenigen, die sich mit dem Sprengstofflaster in die Luft jagen. Sie sind von der Angst beseelt, allein nicht leben zu können, und schätzen den bedingungslosen Gruppenzusammenhalt in einem Terrornetz. Ein einfach gestricktes Weltbild und eine Hierarchie, bei der ihnen alle Entscheidungen abgenommen werden, geben ihnen die angestrebte vermeintliche Sicherheit. Sie verlangen nach Wertschätzung, die sie versuchen, durch unbedingte Loyalität zu erreichen. Außerdem können sie nicht nein sagen und gehen dann oft gegen ihre eigene Überzeugung in den Tod.
     
    Würde ein Polizeipsychologe in eine Situation versetzt werden, in der er einen Terroristen zum Aufgeben überreden müsste, würde er sinnvollerweise – je nach der vorliegenden Persönlichkeitsstörung – eine unterschiedliche Strategie anwenden. Einen narzisstischen Terroristen würde er versuchen zu überzeugen, dass er einen noch größeren Triumph einfahren könnte, wenn er sich von seiner terroristischen Gruppe lossagt und sich stattdessen in Talkshows als bekehrten, abgeklärten Terrorgegner feiern lässt. Bei einem Borderline-Attentäter würde er darauf abzielen, mit ihm in intensiven Gesprächen eine stabile zwischenmenschliche Beziehung aufzubauen, nach der dieser verzweifelt sucht, um ihn so von der Gruppe abzuwerben. Auch bei einem Mitglied mit abhängiger Persönlichkeit würde er diese Methode anwenden. Einem antisozialen Täter würde er Straffreiheit oder andere Vergünstigungen versprechen, wenn er seine Gesinnungsgenossen verpfeift. (Dabei ist aber die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Psychologe bei diesem Deal in irgendeiner Form überlistet wird.) Einen Terroristen mit paranoider Persönlichkeitsstörung umzupolen wäre ziemlich aussichtslos; man könnte sich bemühen, zum Schein auf dessen rigides Feindbild oder fixe Idee einzugehen und sie zu bestätigen, um den Paranoiden in Sicherheit zu wiegen.

Das größte Kunstwerk, das es je gegeben hat
    Wissen Sie, was Sie am 26 . Dezember 2004 gemacht haben? Wahrscheinlich nicht. Aber Sie wissen sicher ziemlich genau, was Sie am 11 . September 2001 gerade taten, als Sie von den Anschlägen auf das World Trade Center in New York hörten. Viele fragten sich, was den exzentrischen deutschen Komponisten Karlheinz Stockhausen geritten hatte, als er die Bilder der einstürzenden Twin Towers in Manhattan mit den Worten kommentierte: «Das größte Kunstwerk, das es je gegeben hat.» Ein Aufschrei der Empörung ging wegen dieser zynischen Verhöhnung der Opfer durch die Republik. Was verleitete den alternden Musiker zu seiner absurden Einschätzung?
    Warum können wir uns an die Fernsehbilder der Katastrophe so genau erinnern? Weil es eine Hollywood-ähnliche Inszenierung eines Angriffs auf die Wahrzeichen des amerikanischen Kapitalismus und das Herz der Weltmacht war. In keinem Weltuntergangs-Katastrophendrama haben Regisseure sich je dramatischere, einprägsamere Szenen erdacht. Das Attentat war die Ausgeburt der teuflischen Phantasie eines bösartigen Narzissten, der alle seine Kreativität aufgeboten hat, um seinen Angriff auf die verhasste Übermacht möglichst theatralisch und spektakulär zu inszenieren.
    Am 26 . Dezember 2004 wurden übrigens durch eine Tsunami-Welle 280 000  Menschen getötet. Aber dieses Naturereignis

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