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Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Titel: Wer hat Angst vorm bösen Mann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Borwin Bandelow
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Tod reißt? Ein Problem ist, dass man Terroristen nicht leicht auf ihren Geisteszustand untersuchen kann – entweder sind sie während ihres Attentats zu Tode gekommen, oder sie widersetzen sich einer psychiatrischen Beurteilung. Es gibt nur wenige Studien, in denen überlebende Attentäter oder die Familien von Suizidbombern befragt wurden. [227] , [228] , [229] , [230] Diese Untersuchungen ergaben, dass Selbstmordattentäter oft Anfang zwanzig und unverheiratet sind. In der Regel sind sie keine intellektuell Minderbegabten, die von skrupellosen Terrorchefs mit Versprechungen von zweiundsiebzig Jungfrauen im Paradies auf ihre tödliche Mission geschickt wurden, sondern eher überdurchschnittlich intelligent. Sie sind meist nicht verarmt, arbeitslos, hoffnungslos, depressiv oder in einer Situation, in der sie nichts zu verlieren haben. Ideologie, Kultur oder Religion spielen oft eine untergeordnete Rolle.
    Aber so mancher wurde aufgrund einer schweren Persönlichkeitsstörung zum Terroristen. Dabei kann man verschiedene Prototypen unterscheiden, die natürlich nicht nur in Reinform vorkommen, sondern häufig als Mischung der verschiedenen Störungsanteile: [231]
     
    Der
narzisstische Terroris
t stellt den klassischen Kultführer dar: Er ist charismatisch und kann durch seine unerschütterliche Sicherheit mit Leichtigkeit eine Anhängerschaft um sich scharen, die ihm blind folgt. Ihm geht es nicht um das Schicksal der Armen und Entrechteten, sondern darum, als unerschrockener Held in die Geschichte einzugehen. Er ist von seiner eigenen Unfehlbarkeit überzeugt und hält sich für über dem Gesetz stehend. Er ist derjenige, der junge Menschen manipuliert, bis sie fanatisiert mit dem Bombengürtel losziehen. Vollmundig kündigt er an, eines Tages selbst den Märtyrertod sterben zu wollen – was er dann meist aus Feigheit nicht in die Tat umsetzt. Nur wenn er in die Enge getrieben wird und keine Möglichkeit sieht, ein Machtspiel für sich zu entscheiden, wählt er den Freitod – nicht ohne ein paar seiner Mitstreiter mit sich zu nehmen. Andreas Baader hatte neben seinen antisozialen Persönlichkeitseigenschaften sicher auch diese narzisstische Komponente.
    Antisoziale Terroristen
schreiben sich ein hehres politisches oder religiöses Ziel nur auf die Fahne, um eine Rechtfertigung für ihre blutigen Massaker zu finden, aus denen sie ihre Kicks ableiten. Sie sind oft die Bombenbastler der terroristischen Vereinigung. Ohne Skrupel schicken sie verblendete jugendliche Anhänger in den sicheren Tod. Sie empfinden nicht nur Spaß, wenn der Feind dahingemetzelt wird, sondern amüsieren sich ebenso über Verletzungen oder den Tod der eigenen Leute. Sie haben keine Hemmungen, weibliche Geiseln oder auch Genossinnen zu vergewaltigen, selbst wenn sie einer religiösen Gruppe angehören, die sexuelle Keuschheit proklamiert.
    Der
paranoide Terrorist
ist davon überzeugt, dass es außer ihm keine guten Menschen gibt. Er hat eine extreme Wut auf den Rest der Welt und fühlt sich von jedermann verfolgt. Lieber stirbt er im Kugelhagel der Polizei, als dem verhassten Gegner die Chance zu geben, ihn zu verhaften, sodass er am Ende im Gefängnis seine Unterlegenheit eingestehen müsste. Er ist nicht der charmante Verführer wie der Narzisst, der andere überzeugen will, sondern eher ein «einsamer Wolf», wie solche Einzelgänger von Ermittlern genannt werden. Wenn es ihm gelingt, ein Gefolge um sich zu scharen, dann nur wegen seines konsequent vertretenen religiösen, politischen oder rassistischen Feindbilds. Er empfindet aber keine Sympathie für seine Weggefährten – er hält sie für nützliche Idioten und lässt sie eiskalt ermorden, wenn ihm nur der leiseste Verdacht kommt, dass sie Verräter oder Abtrünnige sein könnten. Er ist unkorrigierbar von seiner überwertigen Verschwörungstheorie überzeugt. Sein Misstrauen kann wahnhafte Züge annehmen. Mit ihm dialektisch das Für und Wider seiner Ansichten zu diskutieren ist so ergiebig, wie mit einem Pitbull-Terrier über das brüderliche Teilen eines Fleischbrockens zu verhandeln.
    Ein Beispiel für diesen Typ ist Timothy McVeigh, der 1995 in Oklahoma 168  Menschen tötete, als Rache für die Erstürmung des Anwesens der Davidianer-Sekte im texanischen Waco durch das FBI zwei Jahre zuvor. McVeigh war ein Waffennarr, der dachte, die Regierung habe ihm einen Mikrochip in das Gesäß eingebaut. Ein weiterer Prototyp ist Anders Behring Breivik, der das Massaker in Utøya

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