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Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Titel: Wer hat Angst vorm bösen Mann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Borwin Bandelow
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löste bei uns bei Weitem nicht die tiefe Verunsicherung aus, die Osama Bin Laden mit seinem perfiden Anschlag erreichen konnte. Menschen mit einer malignen narzisstischen Persönlichkeitsstörung sind in der Lage, die Welt in ihren Grundfesten zu erschüttern, getrieben von ihrem Leitmotiv der grandiosen Selbstinszenierung.

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5 . Apokalyptische Narzissten
    Verbotene Goldzähne
    Von narzisstischen Terroristen wie Bin Laden ist der Weg nicht weit zu selbstsüchtigen Diktatoren, die es schaffen, ein ganzes Land auf ihre eigene Person auszurichten. Die Geschichte zeigt, dass verbohrte, egozentrische Machtfanatiker oft zunächst oberflächliche Erfolge haben, indem sie durch ihren autokratischen Führungsstil die Ressourcen ihres Volkes auf einige wenige spektakuläre Ziele konzentrieren. Wenn ihnen aber ihr Triumph zu Kopf steigt, verlieren sie jegliches Augenmaß, überschätzen ihre Macht und steuern auf die Katastrophe zu, indem sie Angriffskriege anzetteln, um ihren Herrschaftsbereich auf die Nachbarländer auszudehnen, oder das Land aussaugen wie ein Vampir, bis schließlich nur noch ein Bürgerkrieg sie ihrer Macht berauben kann. Nicht wenige Potentaten endeten so in einem apokalyptischen Untergang und schafften es, ihr Land mit sich ins Verderben zu ziehen.
    Am Anfang einer Diktatur steht jedoch immer der Aufbau eines Mythos um die Führungspersönlichkeit. Ein Paradebeispiel für einen besonders absurden Personenkult war Saparmyrat Nijasow ( 1940 – 2006 ), der einstige Präsident Turkmenistans, der sich «Türkmenbaşy» («Vater aller Turkmenen») oder «Diamantenkranz des Volkes» nannte. Auf allen drei Fernsehsendern des Landes, die ohnehin fast nur Ansprachen und Werksbesichtigungen des Diktators zeigten, war sein Konterfei als Logo oben in der Ecke eingeblendet, vierundzwanzig Stunden am Tag. Auf öffentlichen Plätzen sah man Videomonitore, die Dauerwerbesendungen über den Diktator ausstrahlten. Keine zehn Meter weit konnte man laufen, ohne eine goldene Statue des Herrschers wahrzunehmen. Auf allen Uhren und Wodkaflaschen waren Nijasow-Bilder gesetzlich vorgeschrieben.
    Analog zu Hitlers
Mein Kampf
, Maos «Bibel» oder Gaddafis
Grünem Buch
verordnete der Despot sein erstes Werk,
Ruhnama
(Das Buch der Seele)
, allen Bürgern als Pflichtlektüre. Nach dem Urteil des Schriftstellerverbands PEN handelte es sich dabei um «unübersetzbares Gefasel». [232] Man hatte auch wenig Auswahl an alternativem Lesematerial, denn alle Bibliotheken des Landes waren von Nijasow geschlossen worden. Es gab aber noch ein Zweitbuch: den Koran. In den Moscheen musste allerdings vorrangig Türkmenbaşy und erst dann Allah gepriesen werden.
    Unzählige Straßen, alle Flughäfen, ein Meteorit und der Monat Januar wurden in «Türkmenbaşy» umbenannt, der September in «Ruhnama». Brot hieß nicht mehr Brot, sondern wurde nach der früh bei einem Erdbeben verstorbenen geliebten Mutter des Präsidenten bezeichnet. Theater, Oper, Internet und Autoradios verbot Nijasow kurzerhand. Auf Platz eins der Charts stand ganzjährig die CD mit Türkmenbaşy-Lobliedern. Sämtliche Krankenhäuser auf dem Land wurden geschlossen, die Kranken sollten gefälligst in die Hauptstadt kommen. Goldzähne wurden untersagt, man solle lieber wie ein Hund auf Knochen kauen, um die Zähne zu erhalten, wetterte der Türkmenbaşy. So wurde mehr von dem Edelmetall verfügbar, um die zahlreichen Türkmenbaşy-Statuen zu vergolden. Das Nichtlobpreisen des Diktators war ungesetzlich; 30 000  Menschen darbten deswegen zur Umerziehung in Zwangslagern und psychiatrischen Kliniken. Aber es gab auch Positives aus Turkmenistan zu berichten: Strom, Gas, Salz und Brot erhielt man umsonst; dafür waren verzichtbare Dinge wie öffentliches Rauchen, Videospiele und Playbacksingen im Fernsehen untersagt.
    2006 wurde das Land von seinem Alleinherrscher erlöst, nachdem er als Folge seines üppigen Lebenswandels am Herz-Kreislauf-Kollaps starb.
    Aber nicht immer kommt ein Volk so ungeschoren davon, wenn es von einem Despoten regiert wird, der narzisstische und antisoziale Persönlichkeitseigenschaften in sich vereinigt.

Der doppelte Regenbogen
    Als der Junge in einer einfachen Hütte in den Bergen geboren wurde, erschien zum Zeichen ein heller Stern am Firmament. Innerhalb von wenigen Minuten wandelte sich der bitterkalte Winter in einen lauen Frühling, und ein doppelter Regenbogen zeigte sich am Horizont. Der auserwählte Junge produzierte keinen

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