Wer hat Angst vorm starken Mann? - Mallery, S: Wer hat Angst vorm starken Mann?
Wirtschaftsraum. Eine Minute später hörte man das typische Kratzgeräusch von Streu, die zusammengeschart wurde.
„Er hat sein Klo gefunden“, sagte Jo glücklich. „Das heißt, er hat sich schon eingelebt. Den Rest wird er auch schnell finden. Komm, lass uns ins Wohnzimmer gehen, während er alles erkundet. Ich habe gerade ein neues Rezept für einen Pfefferminz-Martini zusammengestellt. Der soll zur Weihnachtszeit herauskommen. Du kannst mir mal sagen, was du davon hältst.“
Ein Martini, das klingt nicht schlecht, dachte Pia und folgte ihrer Freundin.
Sie setzten sich auf das gemütliche Sofa, das vor dem Kamin stand. Jo goss aus einem Krug etwas in einen Shaker, schüttelte ihn und goss die überraschend rosafarbene Flüssigkeit in zwei Martinigläser.
„Sei ehrlich. Ist es zu süß?“
Pia nippte an ihrem Glas. Der Drink war eiskalt und schmeckte nach Pfefferminz. Er war jedoch eher erfrischend als süß. Außerdem schmeckte sie noch etwas heraus, was sie nicht genau definieren konnte. Honig? Mandel?
„Gefährlich gut“, gab sie zu. „Und dabei muss ich noch fahren.“
„Du kannst zu Fuß nach Hause gehen und den Wagen morgen früh abholen“, meinte Jo. Sie schaute Pia besorgt an. „Bist du in Ordnung?“
„Mir geht’s gut.“ Pia trank noch einen Schluck. „Ich fühle mich nur ein wenig seltsam. Dass ich jetzt Jake aufgeben muss und so.“
„Es tut mir leid“, erwiderte Jo. „Ich wollte dir deinen Kater nicht wegnehmen.“
„Hast du auch nicht. Er ist nicht mein Kater. Ich dachte, wir würden gut miteinander auskommen, aber du hast in den letzten fünf Minuten mehr Kontakt zu ihm gehabt als ich während der vergangenen Monate. Ich glaube nicht, dass er mich mag.“
„Katzen können schon merkwürdig sein.“
Als wollte er das unter Beweis stellen, sprang Jake auf die Rückenlehne des Sofas und starrte Pia einen Moment lang an, bevor er ihr den Rücken zukehrte. Grazil kam er herunter auf das Sitzkissen, setzte behutsam seine Pfoten auf Jos Schoß, rollte sich zusammen und schloss die Augen. Kaum lag er, begann er zu schnurren.
Pia fühlte sich brüskiert, Jakes Ablehnung tat mehr weh, als sie vermutet hätte.
„Bei mir hat er nie geschnurrt.“
Jo hatte angefangen, den Kater zu streicheln, doch jetzt erstarrte sie. „Wolltest du ihn behalten?“
„Nein. Ich würde behaupten, er hasst mich, doch ich glaube nicht, dass er so viel Energie auf mich verwendet. Ich hätte jedoch nie gedacht, dass ich solche starken Anti-Katzen-Schwingungen ausstrahle.“
„Du bist nicht mit Haustieren aufgewachsen.“
„Daran liegt’s wohl.“
Offenbar hatte Crystal die richtige Entscheidung getroffen, als sie den Kater Jo hinterlassen hatte. Die einzige Frage war, warum hatte ihre Freundin den Kater nicht gleich Jo gegeben? Nein, erinnerte Pia sich. Das ist nicht die einzige Frage.
Auf einmal begann es, hinter ihren Lidern zu brennen. Ehe sie noch wusste, was geschah, schossen ihr Tränen in die Augen. Hastig stellte sie den Drink weg und wandte den Blick ab.
„Pia?“
„Es ist nichts.“
„Du weinst.“
Pia versuchte, sich wieder zu fangen, schniefte kurz und wischte sich über die Wangen. „Entschuldige. Das wollte ich nicht. Ich bin so durcheinander.“
„Du kannst Jake wirklich gern wiederhaben. Es tut mir leid, dass dich das so mitnimmt.“
Jo klang ernst und besorgt, was Pia lieb fand. Sie rang nach Atem. „Es ist nicht der Kater. Okay, doch, zum Teil, weil er so ganz offensichtlich nichts mit mir zu tun haben will. Es ist nur …“
Die Embryonen. Sie wusste, die waren das Hauptproblem. Wenn sie es nicht einmal schaffte, dass Crystals Kater sie mochte, welche Hoffnung bestand dann, dass Crystals Kinder sie mögen würden? Jedes Mal, wenn sie daran dachte, für ihre verstorbene Freundin die Embryonen auszutragen, geriet sie in Panik.
Sie war absolut die Falsche dafür. Sie hatte keine Erfahrung, keine Unterstützung, keine mütterlichen Instinkte. Sie konnte sich ja nicht einmal mit einer Katze anfreunden.
Aber darüber konnte sie noch nicht sprechen. Nicht ehe sie eine Entscheidung getroffen hatte, was sie zu tun gedachte.
„Ich vermisse sie“, sagte sie stattdessen, was auch der Wahrheit entsprach. „Ich vermisse Crystal.“
„Ich auch.“ Jo rutschte zu Pia hinüber und nahm sie in den Arm.
Pia ließ den Tränen freien Lauf, während Jo sie festhielt und ihr den Rücken tätschelte. Schweigend bot sie Pia eine Schulter zum Ausweinen und erwies sich einmal
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