Wer hat Angst vorm starken Mann? - Mallery, S: Wer hat Angst vorm starken Mann?
Gesichtsausdruck.
„Ist das der Initiationsprozess, den man hier in der Kleinstadt über sich ergehen lassen muss?“, fragte er.
„Nein, tut mir leid.“ Sie trat zurück und strich über seine Brust, was sich äußerst angenehm anfühlte. Darauf war sie garnicht gefasst gewesen. „Es ist nur Wasser. Das hinterlässt keine Flecken oder so.“
„Alles gut.“ Er nahm ihre Hand in seine, um ihre Bewegungen aufzuhalten. Doch er ließ ihre Finger nicht los. „Geht es dir gut?“
„Bei mir ist alles in Ordnung. Du bist derjenige, der begossen wurde.“
Seine Berührung war ganz leicht, kaum zu spüren, doch Pia konnte sich irgendwie auf nichts anderes konzentrieren. Seine Haut war warm. Sie konnte einzelne Schwielen spüren und die Kraft, die er unter Verschluss hielt.
Die Kraft, die er unter Verschluss hielt? Was war das – ein schlechtes Filmskript? Wer dachte denn so einen Satz?
Ich anscheinend, stellte sie fest, als sie wieder in Raouls Augen schaute und merkte, dass sie gar nicht mehr von ihm weg wollte. Woraufhin sie sich sofort von ihm löste.
„So. Äh, vielen Dank übrigens für die Spende. Sehr beeindruckend. Dabei hattest du doch schon genug getan, indem du das Camp zur Verfügung gestellt hast.“
„Es ist doch keine große Sache“, meinte er leichthin. „Ich helfe gern.“
„Sehr schön. Wir sollten alle helfen, vor allem jetzt. Wegen dieser Sache mit der abgebrannten Schule und so.“
Er zog die dunklen Augenbrauen zusammen. „Bist du sicher, dass es dir gut geht?“
„Ja, natürlich. Wieso?“
Auf keinen Fall würde sie erwähnen, dass es sie total aus der Bahn geworfen hatte, seine Haut auf ihrer zu spüren. Ganz davon abgesehen, dass es völlig irrational war, würde eine derartige Erklärung sie ja schon fast zu einer Art Stalkerin machen.
Also suchte sie fieberhaft nach einer anderen Erklärung.
„Ich habe gerade Jo gesehen“, sagte sie schnell. „Die Freundin, die den Kater genommen hat?“
Er nickte.
„Ich wollte fragen, ob Jake mich vermisst, was natürlich albernist, oder? Ganz offensichtlich vergöttert er sie. Ich war nur eine belanglose Station in seinem Katzenleben. Sie ist sein Ziel. Ich habe nur …“
„Was?“
„Ich denke immer, wenn ich nicht einmal eine Katze glücklich machen kann, welche Chance habe ich dann bei Kindern?“
Er sah sie scharf an. „Du willst sie bekommen?“
„Ja. Nein. Ach, ich weiß nicht.“ Sie seufzte. „Vielleicht. Ich weiß aber, dass Crystal es gewollt hätte. Und egal, wie oft ich mir einrede, dass ich nicht die Verantwortung dafür übernehmen muss, habe ich doch das Gefühl, dass ich genau das tun soll. Ich bin eine Frau. Ich vermute, ich habe all das, was für das Austragen der Babys erforderlich ist. Also spricht nichts dagegen.“
Sie vermutete es nicht nur. Sie wusste es.
Fang bloß nicht damit an, ermahnte sie sich. Nicht heute. Nicht jetzt. Gab es nicht genügend anderes, worum sie sich zu kümmern hatte? Da musste sie sich jetzt nicht mit ihrem schlechten Gewissen abplagen.
„Du willst die Kinder von anderen Menschen bekommen und sie großziehen?“, fragte Raoul.
„Na ja, ich kann sie ja wohl kaum zur Welt bringen und dann weggeben.“
„Warum nicht?“
Sie starrte ihn an. „Entschuldige?“
„Warum würdest du sie nicht weggeben wollen? Es gibt unendlich viele Paare, die sich Kinder wünschen. Für Babys kann man leicht einen Platz finden, oder nicht? Du könntest dir das Paar selbst aussuchen, um sicherzustellen, dass die Babys gut aufgehoben sind.“
Auf diese Idee war sie noch gar nicht gekommen. Crystals und Keiths Babys weggeben? Obwohl es ein warmer Tag war, rann Pia ein Schauder über den Rücken.
„Nein“, erklärte sie fest. „Wenn Crystal das gewollt hätte, hätte sie das in ihrem Testament erwähnt. Sie hat sich die Mühegemacht, im Voraus für eine dreijährige Lagerung der Embryonen zu bezahlen. Sie wollte mir Zeit lassen.“
„Sie hat dich aber nicht vorgewarnt.“
„Ich weiß, und das verwirrt mich auch, aber es ändert nichts an den Gegebenheiten. Wenn ich diese Babys bekomme, dann behalte ich sie auch. Und ziehe sie groß.“ Auch wenn ihr Magen allein bei dem Gedanken daran Achterbahn fuhr.
Raoul schaute ihr in die Augen, als würde er nach etwas suchen. „Ich kenne nicht viele Frauen, die dazu bereit wären.“
„Wirklich? Ich kenne nämlich nicht viele, die sich weigern würden.“
„Das glaubst du doch nicht im Ernst?“
Pia dachte an ihre Freundinnen –
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