Wer hat Angst vorm starken Mann? - Mallery, S: Wer hat Angst vorm starken Mann?
was er für sie empfand. Dass er, während sie hier saßen, merkte, wie vernarrt er in sie war … dass er kurz davor war, sich in sie zu verlieben.
Oder vielleicht auch nicht. Brauchte sie wirklich gerade jetzt einen Mann in ihrem Leben? Genügten nicht drei potenzielle Babys?
„Wir sind nie zusammen gewesen“, antwortete sie. „Ich hab sein Ego nie gesehen.“ Sie grinste. „Obwohl es hier einen Bildschirmschoner mit seinem Hintern gibt, also habe ich den gesehen.“ Verschwörerisch senkte sie die Stimme. „Deiner sieht besser aus.“
„Es ist kein Wettkampf“, grummelte er.
Aber er hat gefragt, dachte sie amüsiert. Raoul war so ein typischer Mann.
Sie nippte an ihrem Wasser und musterte ihn. Sein dunkles Haar fiel ihm in die Stirn.
„Du musst mal zum Haareschneiden“, erklärte sie.
„Nein, danke. Das klingt mir zu kompliziert, mit diesen verfeindeten Friseurinnen und so.“
„Ich bringe dich hin. Geb ein bisschen mit dir an.“
„Danke.“ Er beugte sich vor. „Hast du schon jemandem von den Embryonen erzählt?“
„Marsha weiß es. Sie hat es vielleicht Charity erzählt, vielleicht aber auch nicht. Ich warte noch. Bis ich es sicher weiß. Ich will einfach nicht, dass so viele Leute darüber spekulieren, wenn es noch gar nichts zu spekulieren gibt. Das kommt mir irgendwie falsch vor. Dies ist Crystals Moment, nicht meiner.“
„Du bist diejenige, die schwanger sein wird.“
„Ich werde in ein paar Tagen auf ein kleines Stäbchen pinkeln“, meinte sie. „Das wird dann wohl der Startschuss sein.“
„Ich möchte dabei sein.“
„Das ist sicherlich nett gemeint, aber so nahe stehen wir uns nun auch wieder nicht.“
Er schüttelte den Kopf. „Im Haus, nicht im Bad.“
Sie war sich nicht sicher, ob sie auf Kommando pinkeln konnte, schon gar nicht, wenn jemand darauf wartete, das Ergebnis zu erfahren, aber vermutlich konnte sie Wasser laufen lassen oder Raoul dazu bringen, laut zu summen.
„Okay.“
„Gut.“
Raoul reichte ihr die letzte Frühlingsrolle. Dabei fiel derLichtstrahl der Lampe auf die dünne Narbe auf seiner Wange.
„Wie ist das passiert?“, wollte sie wissen und zeigte auf die Narbe. „Lass mich raten. Du hast einer alten Dame über die Straße geholfen.“
„Würdest du dich besser fühlen, wenn ich erzähle, ich hätte sie bei einer Kneipenschlägerei bekommen?“
„Ja, aber ich würde vermuten, dass du lügst.“
„Wie wäre es mit: Ich bin während des Trainings in einen Zaun gelaufen?“
Und hatte sich dabei die Wange aufgespießt? Sie erschauerte bei dem Gedanken. „Vielleicht ist die Kneipenschlägerei doch die bessere Story.“
„Was immer dich glücklich macht.“
Nach dem Essen bestand Raoul darauf, sie nach Hause zu bringen.
Es war bereits dunkel, und die Nacht war kühl. Pia zog ihren Pullover enger an sich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Spätestens im November haben wir den ersten Schnee“, meinte sie.
„Magst du den Winter?“
„Meistens. Wir bekommen hier nicht tonnenweise Schnee, was ganz nett ist. Das Skigebiet ist nur ein paar Meilen den Berg hoch, aber selbst ein paar Hundert Höhenmeter können einen großen Unterschied machen. Dort oben liegt meist ziemlich viel Schnee. Zumindest muss ich mir keine Sorgen machen, dass ich meine Auffahrt frei schaufeln muss. Ich komme überall zu Fuß hin.“
Er schlang einen Arm um sie und zog sie an sich. „Wenn du einen Schaufeldienst brauchst, sag mir einfach Bescheid.“
„Noch mehr Schwangerschaftsgehilfendienste?“
„Genau.“
„Du solltest einen Flyer drucken lassen, damit ich weiß, was ich erwarten kann.“
„Das mache ich.“
Er fühlt sich angenehm warm an, dachte sie, als sie sich anihn schmiegte. Bei ihm fühlte sie sich geborgen. Genau das, was sich eine schwangere Frau von einem Mann erhoffte. Oder eine nicht schwangere.
Wieder dachte sie an die Frau, mit der er verheiratet gewesen war, und hätte gern gefragt, was geschehen war. Aber das würde sie nicht tun. Den Grund für ihre Zurückhaltung verstand sie selbst nicht. Raoul wollte sich eine Weile um sie kümmern. Für jemanden, der wie sie seit dem siebzehnten Lebensjahr auf sich gestellt war, war es ein schönes Gefühl, sich an jemanden anlehnen zu können. Vor allem jetzt, dachte sie und presste eine Hand auf ihren Bauch.
Einige Minuten später hatten sie Pias Wohnung erreicht. Raoul hielt ihr die Tür auf und folgte ihr die Treppen hinauf. Als sie vor ihrer Haustür standen, drehte er
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