Wer hat Angst vorm starken Mann? - Mallery, S: Wer hat Angst vorm starken Mann?
sich um und schaute Pia an.
„Kommst du jetzt allein klar?“, fragte er.
„Ich wohne seit Jahren allein hier. Ich schaffe das schon.“
„Wenn du etwas brauchst, ruf mich an.“
„Ich will dich nicht bei deinem heißen Date stören.“
Er zupfte ihren Pullover zurecht. „Du bist mein heißes Date.“
Solche Worte lassen das Herz einer Frau schneller schlagen, dachte Pia, obwohl sie genau wusste, dass es völlig falsch war, der emotionalen Versuchung nachzugeben.
„Raoul …“
Ehe sie noch mehr sagen konnte, presste er seinen Mund auf ihren.
Es war ein sanfter, zärtlicher Kuss, eher liebevoll als leidenschaftlich. Raoul versuchte nicht, ihn zu vertiefen, und berührte sie auch sonst nirgendwo. Und doch hatte dieser kleine Hautkontakt eine verheerende Wirkung auf Pia. Nicht nur, weil sie Raoul auf sexuelle Weise begehrte, sondern weil seine Zärtlichkeit sehnsuchtsvolle Empfindungen in ihr entfachte, die sie sich selten gestattete. Der Kuss ließ sie davon träumen, wie es wäre, sich zu verlieben, ihr Herz aufs Spiel zu setzen, zu glauben, siekönnte jemanden finden, der ihre Gefühle erwiderte. Jemanden, der sie nicht verließ.
Plötzlich brannten Tränen in ihren Augen. Hastig löste sie sich von Raoul, angelte den Schlüssel aus der Tasche und schloss die Tür auf.
„Vielen Dank für das Essen“, sagte sie und bemühte sich um einen lockeren Tonfall. „Vor allem für die letzte Frühlingsrolle.“
„Alles im Allinclusive-Paket enthalten. Du sagst mir Bescheid, wenn du auf dieses Stäbchen pinkelst?“
Trotz der Leere in ihr musste sie lachen. „Darum hat mich noch niemand gebeten, da kann ich ja gar nicht Nein sagen.“
„Gut. Schlaf schön, Pia.“
„Gute Nacht.“
Sie wartete, bis er die Treppe wieder hinunterging, dann schlug sie die Tür zu und schloss ab, bevor sie sich dagegenlehnte.
„Vergiss es“, flüsterte sie in die Stille hinein. „Glaub nicht an ihn. Du weißt, was passiert, wenn du das tust.“
Das, was immer geschah. Er würde sie verlassen. Sie hatte allerdings das Gefühl, dass es nichts nützen würde, wenn sie sich einredete, dass sie daran gewöhnt war, auf sich gestellt zu sein. Es würde trotzdem wehtun.
10. KAPITEL
„E s war total abgedreht“, sagte Pia, während sie zusammen mit Montana in ihrem Büro saß und mit ihr die Details für die Junggesellen-Auktion besprach. Die jetzt technisch gesehen eine kombinierte Auktion und Talentshow war.
„Ich verstehe das nicht“, meinte Montana und runzelte leicht die Stirn. „Reicht die Auktion nicht?“
„Anscheinend nicht. Fast dreißig Frauen kommen auf die Bühne, um irgendetwas vorzuführen. Sie haben jeweils höchstens drei Minuten Zeit.“ Pia erzählte ihr von der Frau, die sich damit gebrüstet hatte, noch keine Löcher in den Zähnen zu haben. „Ich bin hier aufgewachsen. Seit wann stört es die Frauen unserer Stadt auf einmal so sehr, dass es zu wenige Männer gibt?“
„Manche Frauen wünschen sich eine Beziehung.“
„Mag sein, aber doch nicht so.“ Pia schaute ihre Freundin an. „Sind dir all die fremden Männer in der Stadt auch schon aufgefallen?“
Montana nickte. „Drei Typen in einem Auto haben mir gestern hinterhergepfiffen. Es war merkwürdig. Aber auch irgendwie nett.“
Pia zuckte zusammen. „Sag mir nicht, dass du da auch hingehst, um den Bus in Empfang zu nehmen.“
Montana lachte. „Ich schaffe es kaum, längerfristig einen Job auszuüben, ganz zu schweigen davon, einen Mann zu finden und festzuhalten.“
„Wem sagst du das“, murrte Pia. „Mir laufen die Männer alle davon. Ich weiß überhaupt nicht, warum. Liegt es an mir? Sende ich Signale aus, die sagen ‚Verlass mich‘? Stimmt irgendetwas Grundlegendes mit mir nicht?“
„Nein. Du bist großartig. Klug, humorvoll.“
„Du doch auch.“
Montana rümpfte die Nase. „Nein, ich habe mich – wie sagtman so schön? – noch nicht gefunden. Mir kommt es vor, als wäre es für mich viel schwerer gewesen, erwachsen zu werden, als für alle anderen. Vielleicht habe ich deshalb noch nicht den Richtigen gefunden.“
„Ich habe nicht einmal eine Entschuldigung“, jammerte Pia. Wobei es jetzt ja ohnehin egal war, angesichts der eingesetzten Embryonen und so.
Ohne es zu wollen, dachte sie auf einmal an Raoul. Sie wusste es wirklich zu schätzen, dass er ihr während der Schwangerschaft beistehen wollte, doch sie würde ein ernstes Wörtchen mit ihm über das Küssen reden müssen. Das konnte so nicht
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