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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Thoma
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ich ihn an, erreichte aber nur seine Mailbox. Eine Nachricht hinterließ ich nicht. Stattdessen schrieb ich ihm eine SMS, in der ich mich dafür entschuldigte, überreagiert und ihn angegriffen zu haben. Doch Jesco antwortete immer noch nicht.
    Nach einem weiteren Tag ohne ein Lebenszeichen schlug meine Verunsicherung in Angst um: Vielleicht war ihm etwas passiert?
    Ich rief in seiner Werkstatt an. Ein Mitarbeiter nahm ab. Möglichst unverständlich nuschelte ich meinen Namen und fragte nach Jesco.
    »Der ist vor ’ ner Stunde circa weg, will aber später noch mal reinkommen«, antwortete der Mann. »Soll ich was ausrichten?«
    »Nein, nicht nötig«, erwiderte ich, beendete das Telefonat und wurde wieder wütend: Selbst wenn Jesco genervt von mir war, konnte er mich doch nicht allein im Regen stehen lassen. Im Gegenteil müsste er sich dann doch gerade mit mir auseinandersetzen – gemeinsame Konfliktbewältigungsprozesse gehörten doch zur Basis jeder Beziehung. Oder war Jesco vielleicht einer der Männer, die sich an den ungeschriebenen Berliner Beziehungsknigge hielten, der es gestattet, Beziehungen durch ein »Einfachnichtmehrmelden« zu beenden?
    Inzwischen war eine ganze Woche vergangen, in der ich nichts von Jesco gehört hatte, und meine Nerven lagen blank. Ich sehnte mich so sehr nach ihm, dass ich kaum noch etwas essen und nachts nicht mehr schlafen konnte. Fiel ich in den frühen Morgenstunden vor Erschöpfung doch noch in einen Halbschlaf, erschien er mir in meinen Träumen, und ich schreckte aufgewühlt hoch.
    Um mir Trost und Rat einer Freundin einzuholen, verabredete ich mich mit Cosima und all unseren Kindern auf dem Falkplatz. Während die Kleinen auf dem Spielplatz zusammen tobten, spekulierten wir, ob Jesco zu der weitverbreiteten Spezies Mann gehörte, die zwar bereit war, viel von sich zu geben, sich hierzu aber nicht verpflichtet fühlen wollte, da sie ihre Unverbindlichkeit mit Freiheit verwechselte. Oder ob ihm seine Toleranz anderen Lebenskonzepten gegenüber, für die er sich rühmte, als Schutzschild dafür diente, von anderen in Ruhe gelassen zu werden.
    Da wir jedoch zu keinem Ergebnis kamen, zückte ich in einem Anfall von Ungeduld mein Handy, um Jesco nochmals anzurufen. Cosima hielt mich davon ab:
    »Wenn Jesco die Beziehung mit dir feige beenden will, nimmt er auch deinen zwanzigsten oder einundzwanzigsten Anruf nicht entgegen. Und du fühlst dich nach jedem Versuch mehr gedemütigt.«
    Ich steckte mein Handy wieder weg. Natürlich hatte ich in meinen knapp siebenunddreißig Lebensjahren oft die Erfahrung gemacht, dass Männer Himmel und Hölle in Bewegung setzen, wenn sie eine Frau erreichen wollen und dass es andersherum immer kontraproduktiv ist. Manchmal mangelte es mir aber an Selbstbeherrschung, um mich an die archaische Regel zu halten.
    Den Rest des Tages versuchte ich mich abzulenken und nicht mehr an Jesco zu denken. Das gelang mir aber nicht: Zwanghaft checkte ich – wie schon an den Tagen zuvor – alle paar Minuten meine Mailbox, SMS und E-Mails. Außerdem klickte ich stündlich auf Jescos Facebook-Account und starrte versonnen sein Profilbild an. Denn obwohl ich wusste, dass er diese Internet-Plattform nur passiv nutzte und selten darüber kommunizierte, täuschte mir seine Facebook-Seite das besänftigende Gefühl vor, ihm immer noch nah zu sein.
    Gegen Abend klingelte es an meiner Haustür.
    »Da ist ’ ne Sendung für Sie«, verkündete mir der Postbote durch die Gegensprechanlage.
    Vielleicht schickt Jesco mir Blumen, und alles ist wieder gut!, dachte ich und war einen Moment lang voller Hoffnung.
    Get real , wies ich mich im nächsten Moment selbst zurecht: Für so etwas war er überhaupt nicht der Typ. Trotzdem wartete ich aufgeregt auf den Postboten, als er die Treppen zu uns in den dritten Stock hinaufstieg.
    Anstatt Blumen erhielt ich einen Einschreibebrief. Ich bestätigte den Empfang der Sendung mit meiner Unterschrift, öffnete den Brief und überflog seinen Inhalt: Mark hatte die Scheidung eingereicht.
    Ausgerechnet jetzt, dachte ich und brauchte einen Moment, um die Nachricht zu verdauen. Schon die Vorstellung, neben meinem übervollen Alltag plus Liebeskummer auch noch Schei dungsformalitäten erledigen zu müssen, überforderte mich.
    Ich stellte den Kindern in ihrem Zimmer ein Hörspiel an, damit ich meine Ruhe hatte. Anschließend rief ich Sven an und erkundigte mich nach den Kontaktdaten seines Familienanwalts.
    »Sei doch froh, dass dein Exmann

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