Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
den bürokratischen Kram vorantreibt«, kommentierte Sven die Neuigkeiten.
Ich riss mich zusammen – Sven hatte recht. Als Mark und ich unser Familienhaus auflösten, waren wir uns auch einig gewesen, die Scheidung möglichst bald hinter uns zu bringen. Damals hielten wir es beide für wichtig, klare Verhältnisse zu schaffen und einen endgültigen Schlussstrich unter unsere Ehe zu ziehen. Nicht zuletzt wegen der Kosten für einen Anwalt hatte ich das Thema in letzter Zeit aber verdrängt.
»Mein Anwalt nimmt momentan keine neuen Mandanten an«, fuhr Sven fort. »Ich mail dir aber die Nummern von zwei, drei anderen Anwälten und den Namen eines Freundes von mir, der sie mir empfohlen hat. Auf den solltest du dich berufen, dann kriegst du schneller einen Termin.«
Ich dankte Sven für seine Hilfe, und wir beendeten unser Telefonat.
Die erste Anwältin, an die ich mich wandte, hieß Frau Dr. Annegret Berthold-Neuhaus. Ich hielt mich an Svens Name-dropping -Empfehlung, woraufhin mir ihre Sekretärin gleich am nächsten Mittag einen Termin anbot.
Das Büro der Anwältin befand sich in der achtzehnten Etage eines aseptischen, voll klimatisierten Hochhauses am Potsdamer Platz, dessen Türen sich nur durch Magnetkarten öffnen ließen und in dem es einen ganzen Stab an Sicherheitspersonal gab, das regelmäßig Patrouille lief.
Eine Empfangsdame brachte mich in ein Büro, durch dessen Fensterfront sich ein Panoramablick vom Tiergarten bis zum Fernsehturm auftat.
Annegret Berthold-Neuhaus war etwa Anfang sechzig und hatte weißgraue, zusammengesteckte Haare. Die Einrichtung ihres Büros war schlicht und unpersönlich; eine weiße Orchidee diente als einzige Zierde.
Der Blick, mit dem sie mich über den Rand ihrer Lesebrille musterte, hatte etwas Selbstgefälliges, und sie schien ihr Wissen zu genießen, dass ihr der Ruf einer Koryphäe vorauseilte.
»Lieben Sie Ihren Mann noch?«, war die erste Frage, die sie mir stellte, nachdem ich ihr meine Ausgangslage geschildert hatte.
Als ich mit meiner Antwort zögerte – nicht, weil ich mir unsicher war, sondern weil ich nicht verstand, worauf sie abzielte –, stand sie auf.
»Eins muss Ihnen klar sein«, sagte sie streng, während sie an der langen Fensterfront auf- und abging, »bei mir geht es nie um Emotionen, sondern nur ums Geld.«
In den vielen Jahren, in denen sie schon als Anwältin tätig sei, führte sie weiter aus, habe sie eines gelernt: Nur starke Frauen, die selbstbewusst forderten und hoch pokerten, würden belohnt. Die gutmütigen dagegen, die um des lieben Friedens willen zu Verzicht bereit waren, gingen leer aus.
»Wenn Sie zum kämpferischen Typ gehören, sind Sie bei mir richtig«, fuhr die Anwältin fort und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch. »Wenn nicht, empfehle ich sie gern an einen Kollegen weiter.«
Ich dankte Dr. Annegret Berthold-Neuhaus für ihre offenen Worte. Von ihr vertreten werden wollte ich aber auf keinen Fall. Ein Rosenkrieg mit Mark war nämlich nicht mein Ziel.
Die nächste Anwältin, die ich aufsuchte, hieß Frau Birgit Kühne, hatte mit Henna gefärbte Haare und war vom Typ her mollig. Ihre Kontaktdaten hatte ich nicht Svens Liste entnommen, sondern aus dem Internet recherchiert. Ihre Kanzlei, die sich am Prenzelberg nicht weit von meiner Wohnung befand, war ein Einfraubetrieb plus Sekretärin. Überall auf dem Boden türmten sich Akten neben Hydrokulturpalmen und anderen Topfpflanzen.
»Haben Sie Fotos von Ihren Kindern dabei?«, fragte mich Frau Kühne und gab sich mütterlich, nachdem sie sich die wichtigen Fakten notiert hatte.
Ich verneinte das, obwohl ich viele Bilder im Handy gespeichert hatte. Sie fremden Menschen zu zeigen, mochte ich aber ebenso wenig, wie mich deren persönliche Familienfotos interessierten.
»Die meisten Paare trennen sich aus ähnlichen Gründen wie Sie«, fuhr Frau Kühne im weiteren Verlauf des Gesprächs fort. »Entweder hält das Ideal der großen, romantischen Liebe der Realität nicht stand, oder die Partner entwickeln sich so lange in unterschiedliche Richtungen weiter, bis die jeweiligen Lebenskonzepte nicht mehr zusammenpassen.«
Außerdem empfahl mir Frau Kühne parallel zum Scheidungsverfahren auch eine Mediation.
»Bis die Kinder erwachsen sind, müssen Sie und Ihr Ehemann als Eltern miteinander auskommen«, sagte sie und betonte, dass vielen Mandanten schon mit einem strukturierten Verfahren zur konstruktiven Beilegung von Konflikten geholfen werden konnte.
Ich musste
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