Wer hat Tims Mutter entführt?
er
ständig wackelte.
Den Regime-Chef schien das
Geschwätz nicht zu beeindrucken. Er hatte nur Augen für Edith Pressler und
küßte ihr schon zum dritten Mal die Hand.
Allmählich sickerte die Gruppe
in das Schwarzwaldhaus ein. Nur der Chauffeur war nicht eingeladen.
Er kletterte affenartig hinter
dem Lenkrad hervor, ging ein paar Schritte auf und ab, lehnte sich dann an die
geöffnete Fahrertür und zog ein Hosenbein hoch bis zum Knie. Einer flachen
Blechschachtel, die er sich an die Wade gebunden hatte, entnahm er weißliches Pulver,
das er mit einem Strohhalm aus dem Handteller in die Nase einsog.
Kokain! Rauschgift!
Tim hatte davon gehört, wie man
sich dieses Zeug einverleibt. Ständiges Nasenbluten sind dann die ersten
Anzeichen der Sucht, später löst sich die Nasenscheidewand auf.
Jetzt war er ,high’, der
Chauffeur.
Wieder lief er auf und ab,
vergaß aber, das Hosenbein hinunterzuschieben. Er merkte es erst, als er sich
an der Wade kratzen mußte.
Tim wandte sich ab und schob
seine Tretmühle zum Tor.
Seltsam! dachte er. Fuentedos
bei Susannes Chef. Das ist keine Empfehlung für die ,Neuzeit-Chemie’. Scheint
ohnehin ein klammheimlicher Besuch zu sein. Ich wette, die Presse weiß nichts.
Will Mortius den lateinamerikanischen Markt für seine Chemieprodukte erschließen?
Erhält er einen Groß-Auftrag von Fuentedos? Irgendwas in der Art muß es sein.
Darüber werde ich noch nachdenken, wenn ich ein paar Infos mehr habe.
Das Tor hatte sich bereits
automatisch geschlossen, als Tim dort ankam. Weder Rütteln noch Zerren half.
Tim tigerte an der inneren
Hecke entlang, bis er eine durchlässige Stelle fand. Außen wurde zwar die Hecke
von dem schmiedeeisernen Zaun beschützt, aber der war nur mannshoch, nicht so
hoch wie das Tor.
Tim hievte seine Tretmühle
hinüber und kletterte hinterher. Ein älterer Herr, der einen Bernhardiner an
der Leine hielt, stand auf der anderen Seite der Straße und sah ihm zu.
„Ich bin kein Einbrecher“, rief
Tim. „Aber das Tor hatte sich schon geschlossen, bevor ich draußen war. Und ich
will Herrn Mortius und seinen Martin nicht noch mal bemühen.“ Der Opa — ein
echter Gentleman mit einer Perle als Krawattennadel — kam näher. Der
Bernhardiner setzte bedächtig eine mächtige Pfote vor die andere.
„Wen meinst du mit Martin?
Martin Dramp?“
Tim grinste. „Ich hörte nur,
daß er Martin genannt wird. Er ist vorlaut und sieht aus wie ein
Schicki-Micki-Armleuchter.“
„Das ist Dramp“, nickte der
Opa. „Ein unmöglicher Mensch. Ich begreife nicht, warum Herr Mortius ihn bei
sich duldet. Wahrscheinlich wegen Frau Pressler.“
„Hat die was mit Dramp zu tun?“
fragte Tim.
„Er ist ihr Bruder. Frau
Pressler ist eine geborene Dramp und geschiedene Pressler. Äh, Berthold, gib
Pfote.“
Auch der Bernhardiner war ein
Opa — mit müden, freundlichen Augen. Jetzt setzte er sich, hob ein Bein und
reichte Tim die Pfote.
„Grüß dich, Berthold!“ lachte
der TKKG-Häuptling, ließ die Pfote los und tätschelte ihm den Kopf. „Ich liebe
Hunde — Tiere überhaupt.“
„Recht so, recht so!“ lobte der
Opa. „Übrigens — ich bin Baron Felshart von Frunz. Ehemals
Aufsichtsratvorsitzender der Knirschheym AG, jetzt nur noch im Vorstand“, er
lachte, „der Frunzschen Stiftungen.“
„Timotheus von Carstenau“,
erwiderte Tim todernst. „Aber ich lasse mich Tim nennen.“ Er stieg aufs Rad.
„Ich muß leider weiter. Angenehme Nachtruhe, Herr von Frunz.“
„Dir auch, mein Sohn.“
10. Silent Warrior - stiller Krieger
Schon von weitem sah er den
Wagen vor dem Haus seiner Mutter, einen großen, grauen BMW mit der
Auto-Telefon-Antenne auf dem Dach.
Tim kannte das Fahrzeug.
Die Beheims — Manfred und Anna
— gehörten zu Susannes engsten Bekannten. Sehr liebe Leute. Manfred war
technischer Direktor in einer Maschinen-Fabrik und kam viel in der Welt herum.
Anna besuchte rund ums Jahr mindestens drei Volkshochschul-Kurse gleichzeitig.
Hatte aber trotzdem viel Zeit, weil sie kinderlos waren. Im Scherz redete
Manfred ständig davon, Tim zu adoptieren. Worauf Susanne dann erwiderte, sie
gäbe ihn nicht her.
Tim freute sich. Die Beheims
waren also gekommen, weil sie sich sorgten, weil sie wissen wollten, ob Susanne
zurück sei.
Als Tim die Wohnungstür
aufschloß, hörte er Annas Stimme. Goliath sprang ihm entgegen; Tim kraulte ihn.
Die beiden Frauen saßen im
Wohnzimmer am Couch tisch. Manfred war nicht dabei. Anna stand sofort auf
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