Wer hat Tims Mutter entführt?
eine halbe Million, damit du deine Mutter
auslösen kannst. So was von Arbeitgeber, wie? Und da wird immer auf die
Kapitalisten geschimpft.“
Der Rotweiße gluckste wieder.
Mortius sah Tim an und nickte.
„Ich werde veranlassen, daß die
500 000 bereit liegen. Sobald dir der Kidnapper sagt, wo das Geld übergeben
werden soll, steht es dir zur Verfügung.“
Beißt mich die Kopflaus! dachte
Tim. Das kann nur ein Traum sein. Dieser miese Typ will die Kohle rausfahren?
„Wenn das kein Witz ist“, sagte
Tim, „bin ich Ihnen natürlich unendlich dankbar — für diese Hilfe. Ich werde
alles versuchen, daß Ihnen das Geld nicht verlorengeht, sondern die Kidnapper
gefaßt werden. Doch garantieren kann ich das nicht. Denn... Ich meine... Meine
Mutter kann Ihnen das niemals zurückzahlen. Allerdings — in etwa zwölf Jahren
habe ich bestimmt meinen Beruf. Ich schwanke noch zwischen Architekt und Diplom-Ingenieur.
Sobald ich dann verdiene, zahle ich Ihnen das Geld ratenweise zurück.“
Die drei lachten, als hätte er
einen phantastischen Witz gemacht.
„Das soll dir kein
Kopfzerbrechen bereiten“, sagte Mortius, „ich leihe das Geld nicht. Ich schenke
es dir für deine Mutter. Weil ich sie als Mensch und Mitarbeiterin sehr
schätze. An dieses... äh... Geschenk sind keinerlei Bedingungen geknüpft.“
„Vielen, vielen Dank“, sagte
Tim. „und glauben Sie wirklich, daß die Kidnapper mit dieser Ihrer großzügigen
Geste gerechnet haben?“
„Herr Mortius“, antwortete der
Rotweiße anstelle des Industriellen, „ist bekannt dafür, daß er hilft. Auch mit
sechsstelligen Beträgen. Du kannst davon ausgehen. Die Kidnapper haben das drin
in ihrem Plan.“
„Dann irre ich mich, was den anderen
Teil meiner Überlegung anbelangt. Wäre mir sicherlich nicht passiert, wenn ich
die Verhältnisse hier besser kennen würde.“
Mortius wechselte das Thema.
„Du besuchst die gleiche Internats-Schule wie mein Sohn. Kennst du ihn?“
Tim hätte sich beinahe am Kopf
gekratzt. „Ja.“
Bei Mortius erwachte Interesse.
„Aber — befreundet seid ihr nicht miteinander?“
„Ich will ehrlich sein, Herr
Mortius. Es ist eher eine Feindschaft. Und erst gestern hat Adolf mir übel
mitgespielt. Er hat nachmittags, als ich in der Stadt war, mein Rennrad
gestohlen. Dazu mußte er das Sicherheitskabel durchtrennen, also einen
Bolzenschneider oder eine schwere Zange benutzen. Am Tatort hat er einen Zettel
zurückgelassen, dessen Text mich aufforderte, um ein Uhr nachts bei einer
verrufenen Diskothek anzutanzen — mit 100 Mark Lösegeld für mein Stahlroß. Ich
war aber schon um Mitternacht dort — und habe Adolf überrascht und erwischt.
Eine unerfreuliche Unterredung! Verhängnisvoll wurde es für mich aber erst
später. Als ich ins Internat zurück wollte, bin ich einem Erzieher in die Arme
gelaufen. Die Folgen können Sie sich ausmalen. Es stand auf der Kippe, ob ich
in der Schule bleiben darf. Ihren Sohn und seinen üblen Streich habe ich
nämlich mit keiner Silbe erwähnt, obwohl mich das entschuldigt hätte. Ich
erhielt einen Verweis, und weil ich jetzt — wegen meiner Mutter — abgehauen
bin, kommt die nächste Verfehlung hinzu. Damit ist mein Maß voll. Ich fliege
raus.“ Die Frau schien das nicht zu interessieren. Sie sah auf ihre Armbanduhr
und blickte beunruhigt zum Eingang.
Mortius nahm seine Zigarre
wieder zwischen drei Finger. „Du hast also Adolf geschont. Weshalb?“
Der Rotweiße lachte auf und
antwortete anstelle von Tim. „Weil er befürchtet, seine Mutter könnte
Schwierigkeiten bekommen — mit ihrem Chef.“
„Für einen Moment“, sagte Tim,
„habe ich darüber nachgedacht. Das gebe ich zu. Aber es ist nicht meine Art,
mich zu ducken — vor wem auch immer. Und meine Mutter hätte mich mit Verachtung
gestraft, wäre ich ihretwegen vor einem Mistkerl auf die Knie gefallen. Nein,
ich habe mir nur gesagt: Es genügt, wenn ich in der Tinte sitze. Weshalb sollte
ich Adolf mutwillig schaden? Ich bin ja nicht er.“
„Hast also alles getan“,
grinste der Rotweiße, „um dir Adolf gewogen zu machen. Hast dich
eingeschmiert.“
Tim lächelte. „Wenn Sie von mir
eines in die Zähne kriegen, daß Ihnen fast der Kopf runterfällt, werter Herr —
hätten Sie dann das Gefühl, daß ich mich bei Ihnen einschmieren will? Nein?
Dann sind Sie sich darin einig mit Adolf. Der hat das auch nicht so aufgefaßt.“
Tim wandte sich an Mortius.
„Nicht wegen meines Fahrrades habe ich Ihrem Sohn eine
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