Wer hustet da im Weihnachtsbaum? (German Edition)
witzigen Filmen sieht. Ich hab aber nicht gelacht und der Dobelmann auch nicht, denn natürlich war er das mit dem Meisenknödel gewesen. Am wenigsten gelacht hat die Verkäuferin, denn die fand es gar nicht witzig, dass sie fünf Minuten vor Ladenschluss wildgewordene Katzenfutterdosen einsammeln musste. Immerhin hat Herr Dobelmann ihr dabei geholfen. Aber er war schließlich auch schuld, warum hatte er mich so erschreckt?
Ich hab schnell bezahlt und bin aus dem Laden raus. Draußen fiel mir ein, dass ich in der Aufregung das Futter für Bubi vergessen hatte. Und alles nur wegen Herrn Dobelmann! Na, das würde ich ihm heimzahlen!
Als ich nach Hause kam, lief Luzie mit Wunderkerzen durch die Wohnung und warf mir eine Knallerbse vor die Füße. Babykram. Mit so etwas gebe ich mich schon lange nicht mehr ab. Papa kauft Raketen und Kracher immer heimlich und versteckt sie dann in der Kammer. Mama will zwar nicht, dass er unser gutes Geld «verpulvert», aber Papa zündelt genauso gern wie ich. Kurz vor Mitternacht gehen wir zwei runter auf die Straße – angeblich nur, um uns das Feuerwerk aus der Nähe anzuschauen. Mama geht sowieso nicht mit, weil sie Angst hat, von einem fehlgesteuerten Böller getroffen zu werden. Und so merkt sie auch nie, was Papa und ich alles in die Luft schießen.
Natürlich macht Herr Dobelmann immer ein Heidentheater, wenn dann in seinem Vorgarten Papphülsen oder Raketenstäbe rumliegen – als ob die alle von uns wären!
Aber dieses Jahr sollte er endlich einen Grund bekommen, sich zu ärgern. Doch dazu musste ich an das gebunkerte Feuerwerk.
In der Kammer stellte ich mich auf einen Hocker und angelte nach der prallgefüllten Tüte, die Papa ganz oben ins Regal gestopft hatte. Ich zog einen Kanonenschlag heraus; megalaut stand in schreiendem Rot auf der Packung. Ich wollte die Tüte wieder zurückstellen, aber das war gar nicht so einfach – ich reckte mich, verlor das Gleichgewicht, kippte mit dem Hocker um und lag auf dem Boden. Diesmal zum Glück nicht zusammen mit Katzenfutterdosen, stattdessen mit – Ostereiern!
Ich hatte den Karton mit dem Osterschmuck runtergerissen.
Durch den Lärm kamen Mama und Luzie angelaufen.
«Wie ist das denn passiert?», fragte Mama und half mir beim Aufstehen.
Ich murmelte irgendwas vor mich hin und stopfte den Kanonenschlag schnell in meine Tasche.
Luzie war natürlich begeistert und wollte unbedingt Ostern spielen. Sie füllte die bunten Pappeier mit allem, was ihr in die Hände fiel, versteckte sie in der Wohnung, und wir sollten sie suchen.
Papa kroch auf allen vieren im Wohnzimmer herum und angelte mit einem Besen nach einem Ei, das Luzie unter das Sofa gerollt hatte. Er guckte ziemlich dumm, als er es aufmachte und sein Handy darin fand.
Dann sahen wir Dinner for one im Fernsehen, dann gab’s den Heringssalat – und dann klingelte das Telefon.
Luzie nahm ab. «Ich bin es. Ich, nicht Hannes! Ich bin doch kein Junge! Ein Mädchen hat keinen –»
Schnell riss ich ihr das Telefon aus der Hand.
Es war Frau Moll. Wer sonst?
«Was wollte sie denn jetzt schon wieder?», fragte Mama.
«Ich soll die Pflanzen, die am Fenster stehen, woanders hinstellen, damit sie sich nicht erschrecken, wenn es knallt», sagte ich.
Papa schlug sich vor die Stirn. «Himmel, lass Hirn regnen!»
Von mir aus konnte der Himmel das Hirn bei sich behalten: Solange die Moll jeden Tag auf eine andere verrückte Idee kam, brauchte ich wenigstens keine Ausreden mehr, um zu Bubi rüberzugehen.
Bubi begrüßte mich mit lautem Husten. Er hockte auf Frau Molls Palme und sah noch zerrupfter aus als am Tag davor. Und ich hatte noch nicht einmal was Leckeres für ihn, nur jede Menge Petersilie. Ich hielt sie ihm hin, und er knabberte lustlos daran herum. Dann flatterte er zurück in den Käfig, setzte sich auf seine Stange und drehte mir den Rücken zu. Bubi war beleidigt. Und an allem war nur Herr Dobelmann schuld.
Höchste Zeit, es ihm heimzuzahlen. Ich ging raus auf den Balkon und guckte nach unten, direkt auf den Balkon vom Dobelmann. Der saß natürlich nicht darauf, sondern gemütlich drinnen und schaute fern, wie man an dem flackernden blauen Licht im Fenster sah. Es war erst kurz nach acht, aber man hörte schon die ersten Knaller. Jetzt stieg eine Rakete hoch, und silberne und goldene Sterne fielen auf das Dach gegenüber. An der Ecke explodierten Knallfrösche.
Das war die Gelegenheit: Ich legte den Kanonenschlag auf die Brüstung und zündete ihn an.
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