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Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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beide verlegen. Schneider griff schon wieder zur Zigarettenschachtel.
    »Musst du nicht los?«
    »Ich wollte nur fragen«, ihre Finger spielten mit dem Band ihrer Tasche.
    »War das o.k., soll ich so weiter …«
    Schneider sah sie erstaunt an.
    »Du kriegst heute den Ü-Wagen. Was willst du noch?«
    »Ich will wissen«, Emma schaute ihm jetzt gerade in die Augen, »ob ich im Team bin?«
    Der belustigte Ausdruck verschwand aus Schneiders Gesicht. Er drückte seine Zigarette aus und schloss das Fenster. Dann kam er langsam zu seinem Schreibtisch und setzte sich auf die Arbeitsplatte, wenige Zentimeter von ihr entfernt. Ihm fiel auf, dass sie ihre Haare jetzt viel kürzer trug als früher. Sie hat sich verändert, dachte er.
    »Deine Geschichte interessiert hier niemanden, wenn du sie nicht erzählst. Du bist erstmal dabei. Aber …«
    Schnell, bevor sie erleichtert ausatmen konnte, redete er weiter. »Wenn der Rundfunkrat dich offiziell rügt, kann ich nichts für dich tun.«
    Sie war schon aufgesprungen und fast an der Tür, lächelte ihn breit an. Es war zu ansteckend, er musste einfach zurückgrinsen. Als sie um die Ecke verschwunden war, wurde er wieder ernst. Er fragte sich, ob er gerade einen Fehler machte.
    Emma ging im Laufschritt durch den Flur. Als sie an der offenen Tür des Großraumbüros vorbeikam, sah sie Sebastian. Er hatte seine Füße auf den Schreibtisch gelegt und telefonierte.
    »Sie soll den Chef kennen«, sagte er in den Hörer.
    Emma zögerte. Er hatte ihr den Rücken zugekehrt.
    »Nee, Schneider.«
    Emma ging schnell weiter. Das Letzte, was sie hörte, war sein Lachen.

D er Professor ließ das Maßband mit einem schnallenden Geräusch zurück in das Gehäuse rollen. Er erhob sich, so schnell sein krankes Bein es ihm erlaubte. Ihm schwindelte wie vor einem Migräneanfall. Aber er spürte, dass es diesmal der Triumph war, der seinen Kopf zu sprengen drohte.
    Es waren fast fünf Meter, die ihn von den anderen trennten. Exakt 4,87 Meter. Er hatte sich von der Hausverwaltung die Baupläne geben lassen und in seinem eigenen Büro nachgemessen. Nur das Büro vom Kollegen aus der Abteilung für Baurecht reichte annähernd an seines heran. Für Baurecht! Der Professor war sich sicher, dass der Kollege mit dem Architekten unter einer Decke steckte. Anders konnte er sich die herausgehobene Größe von dessen Büro nicht erklären.
    Er strich über die mahagonifarbenen Zwischenböden in seinem Bücherregal. Er hatte sich die furnierten Standardmöbel verbeten. Und hatte sogar noch ein weiteres Echtholzregal angefordert, um die fast fünf Meter zusätzliche Raumlänge auszufüllen. Die Sekretärin der Hausverwaltung hatte den Antrag entgegengenommen, ohne einen Muskel im Gesicht zu bewegen. Er wusste, er machte sich lächerlich, aber er konnte nicht anders.
    Bei seinem Vater war es der Parkplatz gewesen. Jedes Jahr war er in den ersten Tagen des Semesters schlecht gelaunt nach Hause gekommen. Lange hatte er gedacht, der Vater habe keine Lust auf ein weiteres Jahr der Lehre gehabt. Bis er erfuhr, dass der Parkplatz direkt neben dem Haupteingang der Fakultät wieder einem Kollegen zugewiesen worden war. Seine Mutter hatte es einer Freundin am Telefon erzählt und dabei gelacht. Sie hatte nicht bemerkt, dass er zuhörte.
    Als die Reihe endlich an ihn kam, fuhr der Vater mit der Familie im Opel Granada vor. Die Mutter saß auf dem Beifahrersitz und sah gerade nach vorn, seine älteren Schwestern waren neben ihm und stritten sich wie gewöhnlich. Der Vater fuhr zunächst an der Parkeinbuchtung vorbei, um sie auf das Nummernschild aufmerksam zu machen, das vom Hausmeister in den dafür vorgesehenen Blechrahmen geschraubt worden war. Es trug wie das Schild am Granada die Initialen des Vaters.
    Den Schwestern befahl er auszusteigen, zu ihm sagte er, er solle warten, es seien zu viele Treppenstufen auf dem Weg bis zu seinem Büro. Der Junge hatte wie immer sein Buch mitgenommen und beugte sich tief über die Seiten, wenn Studenten auf ihrem Weg zum Eingang durch die Fenster des Wagens schauten. Es war ein Buch von Karl May. Noch heute wusste er, welche Geschichte es war, damals im Granada seines Vaters. Auch wenn er an dem Tag keine Zeile lesen konnte, weil seine Augen brannten.
    Seine Mutter und die Schwestern kamen bald zurück. Die Schwestern unterhielten sich über die Studenten, die Mutter schwieg und schaute ihren Sohn an. Sie nahmen dann den Bus zurück zu ihrem Haus.
    Der Professor ging auf das Fenster zu

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