Wer im Trueben fischt
hätten sie ihn nicht international gesucht.«
»Gut, vermuten wir, es gab hier noch ein Vergehen, und Rosenberg flieht. Dann werden die Nazis nicht lange gewartet haben.«
Bente zog das Telefon zu sich heran und wählte eine Nummer, die sie vom PC ablas. Sie ließ sich durchstellen zu der Archivarin und erzählte ihr von dem Fall. Den Hörer noch am Ohr, sagte sie zu Emma:
»Der Reichsanzeiger ist schon im Schlagwortregister. Wenn es da drinsteht, dann geht es schnell.«
»Und wenn sie nichts findet?«
»Dann könnte man immer noch in den anderen Zeitungen gucken, zum Beispiel im Deutschen Kriminalpolizeiblatt. Aber dann musst du ins Archiv gehen und dich durch die Seiten in Frakturschrift kämpfen.«
Die Archivarin meldete sich wieder, Bente sprach mit ihr. Sie bedankte sich, sah Emma strahlend an und hob den Daumen. Sie ist so nett, dachte Emma. Bente legte auf.
»Sie hat was gefunden! Es gibt eine Anzeige vom 2. Juli 1934. Sie lädt es gerade auf ihren PC.«
»Bente?«
»Sie ruft mich gleich zurück.«
»Ich hab in deinem Archiv die Adresse von Siebenschläger nachgeschaut.«
Emma hielt die Luft an. Jetzt war es raus. Bente schaute sie erstaunt an. Ganz langsam zogen sich ihre Augenbrauen zusammen.
»Woher weißt du mein Kennwort?«
»Ich weiß es nicht. Dein Computer war noch nicht ganz heruntergefahren, und dann hab ich nachgeguckt.«
Bente wollte etwas sagen, da klingelte das Telefon. Sie nahm den Hörer ab, lauschte, nickte und notierte sich etwas. Während sie sich bei der Archivarin bedankte, sah sie Emma von der Seite aus an. Dann legte sie auf.
»Steuerflucht. Er wurde gesucht wegen Steuerhinterziehung.«
Emma notierte es sich und schrieb ein Fragezeichen dahinter.
»Wie kann uns das weiterbringen?«
Bente packte ihre Sachen in die Tasche.
»Ich weiß nicht, wie dich das weiterbringt. Ich muss nach Hause.«
Jetzt ist sie sauer, dachte Emma. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Bente stand auf und wollte gehen. Dann drehte sie sich doch noch mal zu Emma um.
»Und was hast du mit der Adresse gemacht?«
»Ich bin hingefahren.«
Bente ließ sich wieder auf den Sitz fallen.
»Und was ist dann passiert?«
»Ich hab versucht, als normale Kundin aufzutreten, was sofort in die Hose ging. Sie haben mich beschimpft und mein Fahrrad demoliert. Und dann bin ich heulend wieder abgezogen.«
Bente grinste.
»Du bist nicht feige.«
»Dafür total bescheuert.«
Die beiden sahen sich an. Bente beugte sich vor.
»Weißt du, was sie hier über dich sagen?«
Emma schluckte. »Was denn?«
»Dass du was mit beiden Chefs hast. Du hast dich für Schneider entschieden, und deshalb will Schulenburg dich loswerden.«
»Weil ich ihm das Herz gebrochen habe?«
»Genau.«
Die beiden lachten so laut, dass sich die Köpfe nach ihnen umdrehten. Emma sagte, immer noch lachend:
»Schneider ist mein Onkel.«
Bente hörte auf zu lachen. Jetzt wurde auch Emma ernst.
»Tut mir leid. Bitte entschuldige.«
Bente zögerte, aber dann nickte sie.
»Mach das nicht noch mal.«
»Nein.«
»Heißt das jetzt, nein, das mache ich nie wieder, oder nein, das kann ich dir nicht versprechen?«
»Das heißt, ich bin so froh, dass du noch mit mir redest.«
Bente stand wieder auf.
»Du bist echt bescheuert. Bis morgen.«
Emma lachte. Ihr war jetzt leicht ums Herz.
»Grüß mir deine Kinder.«
Bente winkte und verschwand durch die Tür.
Als sie allein war, schaute Emma auf das Blatt vor sich. Immer wieder kreiste sie mit dem Kuli das Wort »Steuerhinterziehung« ein, bis der Stift ein Loch in das Papier riss. Sie gab bei Google verschiedene Kombinationen ein, Steuerrecht und Nationalsozialismus, Berlin, Steuerhinterziehung, 30er Jahre, Jude. Ratlos klickte sie sich durch Unmengen von PDF-Dateien. Langsam leerte sich das Büro. Draußen wurde es dunkel, die vielen Lichter der Stadt gingen an.
Emma gähnte. Noch einmal ging sie ihre Notizen durch, um einen Zusammenhang zu finden. Und dann setzte sie sich plötzlich kerzengrade hin. Der Kollege, den Rosenberg am Tag vor seinem Tod treffen wollte, war Professor für Steuerrecht. Vielleicht war das doch nicht nur ein Höflichkeitsbesuch unter alten Bekannten gewesen? Sie wählte die Nummer seines Büros, aber es ging niemand ran. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Kein Wunder. Er stand mit seiner Privatadresse im Telefonbuch. Nachdenklich trommelte sie mit ihrem Kuli auf die Schreibtischplatte. Vielleicht fand sie einen Vorwand, irgendeine Spezialfrage, mit der sie
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