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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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für diesen wunderbaren Sohn.«
    Applaus brandet auf. Richard erhebt sich, geht auf seine Exfrau zu und umarmt sie innig. Mark sitzt mit offenem Mund da und starrt die beiden an. Ein kleiner Stups von mir, und er schließt wenigstens den Mund wieder. »Gibt’s ja nicht«, murmelt er.
    Mark
    Nach dieser Rede brauche ich Zucker für die Nerven. Ich stehe bereits in vorderster Front am Nachspeisenbüfett und schöpfe am Schokobrunnen nach flüssigen Kalorien. Zwei Meter von mir entfernt tummeln sich Franziska und Mike. Sie schaut mich zwar durchdringend an, lacht aber über einen Witz von Mike und macht nicht die leisesten Anstalten, einen Schritt in meine Richtung zu gehen.
    Während ich mein Dessert genieße, zupft Judith an meinem Arm.
    »Wo ist Papa?« Sie scheint echt besorgt.
    An seinem Tisch sitzt er jedenfalls nicht. Dort unterhalten sich Priska und Dominik noch immer sehr angeregt. Ich möchte mir nicht vorstellen, über was. Sie sehen leider zufriedener aus als meine Braut am Nebentisch. Luisa redet der Nonna gut zu, die völlig hinüber ist, ihren Frust mit einer Unmenge Merlot runterspült und noch immer über ihr verdrecktes Outfit schimpft, wie mir scheint. Sie macht Anstalten, als wolle sie sich ausziehen. Ständig zupft sie an ihrer Bluse. Gleichzeitig macht sie aber dem Monsignore schöne Augen. Offenbar ist der Pfarrer Nonnas neuer Liebling, mich dagegen beachtet sie nicht mehr.
    Der Monsignore sitzt aber nur mit hochrotem Kopf auf seinem Stuhl, stocksteif, und weiß nicht, wie ihm geschieht. Ihn werde ich nicht mehr von ihr erlösen können, aber Luisa schon. Ich gehe zu ihr, helfe ihr auf. »Hast du meine Eltern gesehen?«, frage ich beiläufig.
    »Die sind draußen.«
    »Und machen was?«
    »Weiß nicht. Sich angiften, würgen, prügeln, töten. Oder vögeln.«
    Schockiert starre ich sie an. »Sag so was nicht, meine Eltern haben noch nie gevögelt. Eltern vögeln nicht. Nie. Kannst du mal nachsehen? Ich übernehme hier.«
    »Gute Idee.« Luisa wirft einen Seitenblick auf die Nonna, die gerade quer über den Tisch nach der Hand des Monsignore greift, und sucht ihr Heil in der Flucht.
    Luisa
    Ich bin froh, der Nonna entronnen zu sein. Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust, nach Marks Eltern zu fahnden. Sind schließlich erwachsen, die zwei. Aber ein kleiner Spaziergang wäre jetzt schon schön. Schließlich bin ich dank Franziskas Anwesenheit schon seit Stunden ziemlich angespannt. Ich trete in den warmen Herbstabend hinaus und blicke über die Wiesen und Felder. Ein paar Gräser wiegen sich im Wind, die Tische vom Sektempfang sind bereits abgebaut. Ich gehe um das Wasserwerk herum und höre Gekicher aus einem Holzverschlag. Das war mal der Geräteschuppen. Er sieht sehr antik und stabil aus. Ich gehe näher heran und höre einen Mann leise lachen. Klingt nach Richard. Anette fällt ein. Sie scheinen sich wieder gut zu verstehen – etwas zu gut vielleicht. Als ich am Knauf der Holztür ziehe, bete ich, dass die beiden noch angezogen sind. Der Geruch, der mir entgegenkommt, macht allerdings schnell klar, warum sie sich hierher verzogen haben. Als meine Augen sich an die Dunkelheit im Schuppen gewöhnt haben, sehe ich Marks Eltern nebeneinander auf alten, halb kaputten Stühlen sitzen. Anette hält einen Joint in der Hand, den sie Richard gerade zurückgibt. Beide schauen mich etwas schuldbewusst an.
    »Bitte, ihr zwei, das ist nicht wahr, oder?«
    »Es ist nicht so, wie es aussieht«, witzelt Richard.
    »Für mich sieht es so aus, als würdet ihr bei der Hochzeit eures Sohnes kiffen, während eure Familie euch sucht und sich Sorgen macht.«
    »Na ja, kiffen trifft es nicht ganz«, findet Anette. »Das hier ist ein symbolischer Akt. Eine Art Friedenspfeife!«
    »Halleluja. Aber macht bitte bald die Friedenspfeife aus, und zwar richtig aus, ich will diesen Holzschuppen hier nachher nicht brennen sehen. Und dann kommt zurück, sonst verpasst ihr die Hochzeitstorte.«
    »Jawoll, Chefin!« Richard springt auf und salutiert, während Anette mich verträumt von unten anblickt und sagt: »Du wirst mal ’ne gute Mutter. Du bist so schön streng.«
    »Herzlichen Dank auch.«
    Meine Rückkehr zur Feier wird mit Begeisterung aufgenommen, denn der DJ ruft just in dem Moment zum Brautstraußwurf auf.
    »Alle ledigen Frauen auf die Tanzfläche!«, dröhnt er durch sein Mikro. Dann spielt er Single Ladies von Beyoncé an. Rebekka und Judith machen den Anfang, ein paar Cousinen finden sich ein und ein paar alte

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