Wer ist der andere, Alissa
sollen. Im Büro sah er immer aus, als ob er aus einem exklusiven Herrenjournal herausgetreten wäre. Nur bei den alljährlichen Picknicks hatte er sich auch mal etwas legerer angezogen. Aber Alissa hatte ja keine Ahnung davon gehabt, wie unwahrscheinlich männlich er so ganz privat wirkte. Er trug Mokassins und dicke dunkelblaue Socken zu alten Jeans und einem dunkelblauen flauschigen Fleece-Shirt, das seine breiten Schultern und die muskulöse Brust hervorhob.
Um Himmels willen, wirst du dich jetzt wohl zusammenreißen? stauchte sie sich im Stillen zusammen. Ohne ein Wort wandte Alissa sich von ihm ab und ging in das Wohnzimmer. Dirk folgte ihr. "Nehmen Sie Platz", sagte sie kühl und wies auf das Sofa. Aber Dirk ignorierte es und blieb mitten im Raum stehen, um sich umzusehen. Verärgert setzte Alissa sich in ihren bequemen Sessel, verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete, wie Dirk jedes Detail ihres im Vergleich zu seinem Apartment sicherlich bescheidenen Heims begutachtete. Nun, wenn er ganz ohne Zweifel luxuriöser eingerichtet war, so war dies hier immerhin ihr Zuhause, und sie fühlte sich wohl darin. "Sehr hübsch haben Sie es hier", sagte er endlich und überraschte Alissa damit. Sie betrachtete ihn misstrauisch, erwartete noch eine herablassende Bemerkung, denn sie wusste, dass er eine Eigentumswohnung in einem der todschicken Hochhäuser nicht weit von der Firma besaß. Das Apartmenthaus gehörte zu Houstons renommiertesten Adressen. "Ich habe noch nie an Ihrem ausgezeichneten Geschmack gezweifelt, und das hier bestätigt es mir nur."
Diese Feststellung verblüffte Alissa, und sie ermahnte sich, sich nicht zu sehr damit zu befassen. Wie auch immer, sie wurde den Verdacht nicht los, dass Dirk sie nur ablenken wollte. Es machte sie nervös, ihn hier in ihrem Haus zu haben. Nach dem gestrigen Abend hatte sie geglaubt, dass sie jetzt quitt wären - schließlich hatte er es ihr heimgezahlt.
Offensichtlich gehörte er jedoch zu den Menschen, die immer das letzte Wort haben mussten.
Fein. Sie wünschte nur, er würde sagen, weswegen er hergekommen war, und dann ganz schnell wieder verschwinden. Sie faltete die Hände in ihrem Schoß, beobachtete ihn und wartete. Dirk war in keiner Eile. Er war zu sehr damit beschäftigt, seine Umgebung in sich aufzunehmen, die eine Seite an Alissa widerspiegelte, die er nicht gekannt hatte. Im Büro war ihre Erscheinung immer perfekt - makelloses Make-up, jedes Haar am richtigen Platz, immer tadellos gekleidet. Sie so zu sehen, in diesem bequemen Sweatshirtanzug, völlig ungezwungen und zugänglich, sogar ein wenig verwundbar, hatte ihn stutzen lassen.
Eigentlich hätte ihn ihre Erscheinung gar nicht so sehr überraschen dürfen, wie er fand. Alissa hatte etwas an sich, was auf eine angeborene Sanftheit schließen ließ und das in ihm den Verdacht aufkommen ließ, dass sich unter dem Image der Karrierefrau in Wirklichkeit jemand verbarg, der Wärme und Geborgenheit schätzte. Dieses behagliche kleine Haus bestätigte es nur.
Er war vorher im Büro gewesen, um sich ihre Adresse zu holen, und als er ihre Personalakte durchgegangen war, hatte er festgestellt, dass Alissa sechsunddreißig Jahre alt war. In dieser zwanglosen Aufmachung sah sie allerdings keinen Tag älter als fünfundzwanzig aus. Und absolut reizvoll. Sein Blick blieb wieder auf ihren Brüsten hängen, die sich unter dem Sweatshirt abzeichneten, und seine Mundwinkel hoben sich zu einem anerkennenden Lächeln. Als er wieder hochsah, hatte sich ihr Gesicht zu seinem Vergnügen gerötet. Er setzte sich auf das Sofa und legte den Fuß mit dem Knöchel auf das andere Knie.
Sein Ausdruck wurde ernst, und er sah Alissa lange schweigend an. "Was gestern Abend passiert ist, tut mir Leid", sagte Dirk schließlich abrupt. "Nicht weil ich Sie geküsst habe. Ich habe es so gewollt. Und ich will es immer noch. Aber ich versichere Ihnen, ich habe niemals vorgehabt, Sie in Verlegenheit zu bringen, Alissa." Sie blickte zur Seite. Es war ihr unmöglich, ihm weiterhin in die Augen zu sehen. "Bitte. Sie können mir doch nicht erzählen, dass Sie wirklich Interesse an mir hatten."
"Sie sind eine schöne Frau. Warum sollte ich mich nicht für Sie interessieren?"
"Weil Sie mich seit fünfzehn Jahren kennen, und während all dieser Zeit haben Sie mich kaum richtig angesehen."
Dirk zuckte die Schultern. "Die Dinge ändern sich eben manchmal. Bis vor einem Jahr waren Sie verheiratet. Jetzt sind Sie es nicht
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