Wer ist der andere, Alissa
immer seinen Blick fest. "Es tut mir nicht Leid."
Dirk schaute sie nur an. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, nur seine Augen weiteten sich leicht. "Gut", sagte er nach einer endlos scheinenden Zeit. "Ihre Ehe muss sehr harmonisch gewesen sein, um so lange anzudauern", fuhr er dann fort. "In der Regel haben junge Ehen heutzutage keine sehr hohe Erfolgsrate."
"Tom und ich hatten eine sehr gute Ehe." Dirk tat es sofort Leid, dass er das Thema angeschnitten hatte. Alissas Gesicht hatte einen weichen Zug angenommen, und ihre Augen bekamen einen liebevollen Glanz, wenn sie von ihrem verstorbenen Mann sprach. Dirk passte das gar nicht. Es war nicht seine Absicht gewesen, sie daran zu erinnern, wie sehr sie ihren verstorbenen Ehemann geliebt hatte. Mach nur weiter so, Matheson.
"Ich habe von irgendwem gehört, dass Sie das College abbrachen und in der Firma anfingen, um Ihrem Mann das Studium zu ermöglichen. Stimmt das?"
"Ja. Tom wollte Zahnarzt werden, und dieser Beruf erforderte eine lange Studienzeit. Da seine Eltern, aber auch meine Familie damit finanziell überfordert gewesen wären, haben wir uns entschlossen, gleich am Anfang des Studiums zu heiraten. Ich sollte das College unterbrechen und uns mit meiner Arbeit unterstützen, bis Tom sein Studium abgeschlossen hatte. Dann, sobald er mit seiner Praxis anfangen würde, sollte ich aufs College zurückkehren."
"Aber Sie sind in der Firma geblieben, auch nachdem Ihr Mann die Praxis eröffnet hatte."
"Ja. Eine Praxis einzurichten ist schrecklich teuer. Wir hatten einen Kredit aufnehmen müssen, um Zahnarztgeräte zu kaufen und die Räumlichkeiten zu mieten. Als wir schließlich all unsere Schulden beglichen hatten, war ich schon so lange in der Firma, dass es mir lächerlich vorkam aufzuhören. Vor allem da wir keine Kinder hatten."
Dirk spannte sich an, aber sein Gesichtsausdruck blieb gleichmütig. "War das beabsichtigt?"
"O nein. Ich wollte ... Wir beiden wollten Kinder haben. Wir haben uns das so sehr gewünscht. Aber es geschah einfach nie."
"Das muss schlimm für Sie gewesen sein."
"Ja. Ja, das war es. Aber wir haben uns schließlich damit abgefunden." Dirk musterte sie schweigend. Als er dann wieder sprach, wechselte er geschickt das Thema. Die Combo-Band war gerade von einer Pause zurück gekommen, und Dirk sah Alissa mit einem Aufblitzen in den Augen an. "Wie wär's mit einem Tanz? Ich verspreche auch, dass ich Sie diesmal nicht küssen werde." Alissa lachte und nahm das Angebot an, aber als Dirk ihr den Stuhl hielt, lehnte er sich zu ihr herunter und flüsterte ihr ins Ohr: "Es sei denn, Sie hätten es gern."
Alissa wurde rot, doch sie lachte wieder. "Danke, aber da passe ich." Sie funkelte ihn verführerisch an, und Dirk überkam ein so heftiges Verlangen, dass er sich mit aller Macht zurückhalten musste, um sie nicht in die Arme zu reißen.
Sie tanzten schweigend. Und später, auf der Fahrt nach Hause, wechselten sie knapp ein Dutzend Worte miteinander. Dirk fuhr in Alissas Ausfahrt und schaltete den Motor aus. Aber keiner von ihnen machte Anstalten auszusteigen. Das Mondlicht hüllte das Innere des Wagens in einen bleichen Schein. Sogar ihr sonst honigfarbenes Haar schimmerte fahl, und das Silbergrau seiner Schläfen erschien jetzt bläulich. Dirk drehte sich seitwärts und betrachtete sie lange. Alissa war eine schlanke, feingliedrige Frau mit zarten Gesichtszügen. Im Mondlicht wirkte sie fast zerbrechlich, wie ein geheimnisvolles Fabelwesen. Er nahm ihre Hand in seine und hielt sie einfach nur. "Für mich war es ein schöner Abend", flüsterte er.
"Nicht nur für Sie", antwortete sie mit weicher Stimme. "Ich hoffe, dass er schön genug war, um wiederholt zu werden. Ich möchte Sie wieder sehen, Alissa, privat, wenn Sie es mir erlauben." Dirk schaute sie so aufmerksam an, dass es sie heiß überlief. "Ich habe das Gefühl, dass sich zwischen uns beiden etwas ganz Besonderes entwickeln könnte. Geben Sie uns eine Chance?"
Alissa blickte ihm in die silbergrauen Augen, ihr Herz schlug wie wild in ihrer Brust. Es gab so viele Gründe, nein zu sagen. Sie war für eine Affäre nicht geschaffen, das wusste sie, und Dirk war nicht gerade ein typischer Ehekandidat. Er war auch zu dynamisch für sie, zu weltgewandt. Und sie arbeiteten zusammen. Eine Beziehung, wie er sie wollte, wäre unter diesen Umständen eher peinlich. Vor allem dann, wenn sie endete. Und es war nur eine Frage der Zeit, dass sie enden und sie, Alissa, mit einem
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