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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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geschwunden war. »Warum sind Sie dann nach Indien zurückgekommen?«
    Das war die falsche Frage. Die Weichheit wich sofort aus seinem Gesicht, und es wurde wieder hart wie Stein. »Weil Indien meine Heimat ist«, erwiderte er knapp. Er stand auf und bedeutete Bahadur ungeduldig, den Tisch abzuräumen.
    Sag mir die Wahrheit! Du hattest damals keine Heimat! hätte Olivia am liebsten gerufen. Was ist das für ein Schicksal, das du erfüllen mußt? Was ist das für ein eiterndes Geschwür, das dich nach Indien zurückgeholt hat?
    Aber sie schwieg. Der seidene Faden, der sie verband, war noch zu dünn, und wenn er riß, würde sie für immer aus seinem Leben verbannt sein und nie die Schatten ergründen können, die über ihm lagen. Das sollte und durfte sie nicht riskieren. Ihr Leben wäre unvollständig, wenn er sie jetzt daran hinderte, sein Geheimnis, sein Innerstes kennenzulernen.
    »Warum möchten Sie soviel über mich wissen, Olivia?«
    Wenn er sie mit ihrem Vornamen ansprach, war ihr das noch so ungewohnt, daß sie leicht errötete. Er stand am Bullauge auf der anderen Seite der Kabine und blickte hinaus. Bei der leisen Frage fing ihr Herz wieder an zu klopfen. »Weil ich bis jetzt so wenig von Ihnen weiß«, erwiderte sie aufrichtig, und es klang traurig.
    »Weshalb möchten Sie mehr wissen?«
    »Weil es soviel gibt, was ich nicht … verstehe.«
    Er drehte sich um. »Und das wäre?« Er kam zurück und setzte sich.
    »Zum Beispiel …«, sie mußte schlucken. Dann wagte sie es:
    »Warum kämpfen Sie so erbittert gegen meinen Onkel?« Sie hob das Kinn und die Stimme. »Sie haben den Überfall auf den Opiumtransport veranlaßt, nicht wahr?«
    Er antwortete nicht sofort, aber sie sah, daß ihn die offene Frage ärgerte. »Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: Ich halte nichts davon, den Tod zu verkaufen.« Er wies den Vorwurf also nicht zurück.
    »Sind Sie schon einmal in einer Opiumhöhle gewesen?« fragte er. Sie bedauerte sehr, daß sie dieses Thema zur Sprache gebracht hatte, und schüttelte nur stumm den Kopf. »Haben Sie schon einmal einen Süchtigen erlebt? Standen Sie schon einmal hilflos neben einem solchen Menschen und haben mitangesehen, wie der Tod unaufhaltsam kam?«
    Sein Haß kannte keine Grenzen. Seine Hände zitterten, und er funkelte sie böse an. Erschüttert beugte sich Olivia vor und legte ihm die Hand auf den Arm, aber er sprang auf und schüttelte sie ab.
    »Nein, das habe ich nicht«, begann sie leise um Verständnis bittend, »aber ich …«
    »Dann lernen Sie erst aus Erfahrung, und dann können Sie mit Ihren frommen und verlogen freundlichen Vorwürfen kommen!« Er schrie sie böse an.
    Bei diesem ungerechten Angriff geriet auch Olivia in Zorn. » Ich bin nicht zu Ihnen gekommen«, rief sie und stand auf, » Sie haben mich durch eine List hierher bringen lassen!«
    »Aber ich habe Sie nicht dazu gezwungen«, sagte er leise, eiskalt.
    »Sie konnten und können mein Schiff jederzeit verlassen.« Er trat wieder vor das Bullauge. »Ersparen Sie mir Ihre albernen Verhöre, Olivia. Ich lasse mich nicht gerne ausfragen und schon gar nicht von jemandem, der so wenig von Indien versteht.«
    »Ich bin kein dummes Kind«, wehrte sie sich gegen seine Überheblichkeit, »wenn man mir die Möglichkeit gibt, etwas zu verstehen, dann kann ich es auch verstehen.«
    Mit einem unterdrückten Fluch fuhr er sich mit den Fingern durch die Haare. Als er schließlich antwortete, klang seine Stimme wieder ruhig. »Wir leiden an derselben Krankheit, Olivia, und keiner von uns beiden kann behaupten, Abwehrkräfte dagegen zu besitzen.« Er drehte sich langsam um und sah sie mit einem schwachen, nüchternen Lächeln an. »Ich tue, was ich tue, weil ich es tun muß.«
    Olivias Empörung brach in sich zusammen. Aus einem unbedachten Impuls heraus hatte sie die wenigen kostbaren Momente des stillen Einverständnisses zerstört. Wieder einmal hatte sie sich von der Neugier verführen lassen, die er haßte. Und wieder einmal hatte er sich ihr entzogen. Er sah sie verschlossen, ja sogar feindselig an. Olivia war den Tränen nahe, setzte sich wieder und fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Ich bin völlig durcheinander«, flüsterte sie unglücklich, »ich weiß nicht, was ich tun soll …«
    Sein Zorn war verflogen. »Soll ich Ihnen sagen, was Sie meiner Meinung nach tun sollen?« Er ging zu dem Rollsekretär und stützte sich mit dem Ellbogen darauf. »Ich finde, Sie sollten Freddie Birkhurst heiraten.«
    Olivia

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