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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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ihn jedenfalls gerne ihrer Sammlung hinzugefügt.«
    »Wie ist es Ihnen gelungen, nicht dort zu landen?«
    »Die Summe, die ich Ihnen angeboten habe, damit sie es nicht tun, war verlockender.«
    »Sie wollen damit sagen, Sie haben sich ihre Gnade erkauft!«
    »Warum nicht?« Er zog spöttisch eine Augenbraue hoch, »außer mit Opium verdient die Ostindien-Kompanie auch sehr viel Geld, indem sie Ehrbarkeit verkauft … das heißt, wenn es ihr politisch gesehen gerade paßt«.
    Bei der Erwähnung von Opium kämpfte Olivia mit sich. Sollte sie von ihm eine Erklärung dafür verlangen, daß er das Opium ihres Onkels hatte stehlen lassen? Sie beschloß, darauf zu verzichten. Wie verbrecherisch der Konkurrenzkampf auch sein mochte, es hatte im Grunde nichts mit ihr zu tun. Sie überließ sich den angenehmen Gefühlen, die aller Vernunft widersprachen, und ließ die Sache auf sich beruhen. »Ich bezweifle, daß jemand Sie für besonders ehrbar hält, auch wenn man Ihnen Pardon gewährt hat.«
    Er lachte. »Vermutlich werde ich nie ehrbarer sein. Ich habe auch nicht das Verlangen danach, denn ich bin schließlich kein …«, er zögerte.
    »Gentleman?«
    Er lachte wieder. »Das auch. Kommen Sie«, er griff nach ihrem Arm, während sie zusahen, wie zwei Matrosen ein dickes Tau geschickt zusammenrollten, »gehen wir hinunter.«
    Unterwegs erklärte er ihr ausführlich das Kew-Barometer der Ganga. Das neue, äußerst präzise englische Modell war für den Kapitän eine unschätzbare Hilfe. Olivia verstand nur wenig von den vielen nautischen Begriffen, die er so selbstverständlich benutzte – ›Koppelnavigation‹, ›Schiffsbreite‹, ›Belegnägel‹ –, aber darauf kam es nicht an. Sie begriff, die Ganga war ein Meisterwerk der Schiffbaukunst (wenn man von dem lächerlichen Anblick des häßlichen Schornsteins absah, wie er betonte). Es tat so gut, in Gesellschaft dieses Mannes zu sein! Es belebte sie schon, seine volle und wohlklingende Stimme zu hören. Sie ließ sich von seiner Begeisterung anstecken und mitreißen. Das Band war ihr nicht länger eine unangenehme Fessel. Sie genoß es rückhaltlos. Ja, sie ließ sich von Jai Raventhorne mitreißen und von seiner Persönlichkeit faszinieren. Sie konnte sich nicht länger dagegen wehren – sie wollte es auch nicht.
    »Als die Ganga vor einem Jahr bei Smith und Dimon in New York vom Stapel lief, glaubten nur wenige an den Erfolg.«
    »Warum nicht?« Ihre Hand glitt behutsam über das glatte, glänzende Holz, in dem sie sich fast wie in einem Spiegel sehen konnte.
    »Wegen des revolutionären Bugs. Die Engländer lachten am lautesten, bis die Ganga die Strecke Hongkong–Southampton in einundachtzig Tagen zurückgelegt hatte. Dann änderte sich der Ton. Sie räumten ein, etwas Ähnliches noch nicht gesehen zu haben. Sie schrieben Lobeshymnen in den Zeitungen und sprachen plötzlich von einem ›Wunder‹. Schließlich machte das Schiff sogar Schlagzeilen in der Times. « Er lächelte zufrieden. »Und das kann ich Ihnen sagen, seitdem macht die Ganga vielen Leuten großes Kopfzerbrechen!«
    »Aber die Engländer werden doch bestimmt bald eigene Klipper haben?«
    »O ja, sie bauen sie bereits, um im Rennen zu bleiben.« Er klopfte mit den Fingerknöcheln auf Holz, »aber sie werden nie so etwas zustande bringen wie John Willis Griffith, der die Ganga konstruiert hat. Er ist der beste in Ihrem Land. Die Ganga ist nicht nur ein Schiff«, sagte er leise, »sie ist lebendige Poesie.« Die Sentimentalität verschwand schnell. »Genug von Schönheit. Jetzt werde ich Ihnen das Häßliche an Bord zeigen. Dann werden Sie verstehen, weshalb ich heute morgen so brummig wie ein Bär bin.«
    »Das Häßliche?« fragte sie und mußte beinahe rennen, um mit ihm Schritt zu halten, während er den nächsten Gang nach unten lief. »Bei all dieser Vollkommenheit kann ich mir nichts Häßliches vorstellen!«
    »Nein? Warten Sie es ab!«
    Im Bauch des Schiffs unter der Wasserlinie war es dunkel. Sie gingen durch ein Labyrinth von Gängen und erreichten schließlich einen riesigen Raum mit einem Gewirr schwarzer Kessel, Druckmesser, Kurbeln und Stangen, die alle mit Ruß und Schmieröl überzogen waren. Vor ihnen gähnte die riesige Öffnung eines Kohleofens, in dem zwar kein Feuer mehr brannte, der aber trotzdem stinkende Gase ausstieß. Hier war nichts mehr von der salzigen frischen und belebenden Luft zu spüren, dem Geruch nach blitzenden, sauberen Decks. Der stechende Gestank von

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