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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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anderer Ansicht.«
    »Das liegt daran, daß die meisten von ihnen nicht wie Würmer in einem Loch gelebt und gearbeitet haben – so wie ich. Kommen Sie«, er richtete sich auf und warf einen Blick auf seine Taschenuhr, »es ist Zeit für das Frühstück. Heute werden wir sehr englisch Speck, Eier und Muffins essen.«
    In der großen Kabine direkt unter Deck servierte ihnen der höfliche und aufmerksame Bahadur das Frühstück. Sein Gurkha -Gesicht verriet wie immer keine Regung. Die Kabine war bequem und großzügig eingerichtet, erinnerte aber eher an Arbeit als an ein Zimmer. Sie war für das Leben an Bord funktional und praktisch eingerichtet. Auf dem Boden lag ein dunkelblauer Teppich, und vor den Bullaugen hingen Vorhänge. Ledersessel und – beinahe wie eine Nebensache – ein Himmelbett mit Kissen vervollständigten die Einrichtung. Ein Rollsekretär stand vor der glänzenden Holzvertäfelung, an der Navigationskarten und Tabellen hingen. An der anderen Wand sah sie Bücherschränke. Nichts deutete auf Luxus hin, wie man es auf einem so eleganten Schiff wie der Ganga hätte vermuten können. Trotz aller sinnvollen Bequemlichkeit war der Eindruck betonter Nüchternheit unverkennbar, die Raventhorne in persönlichen Dingen offenbar bevorzugte. Olivia brachte kaum einen Bissen hinunter, obwohl es an dem Frühstück nichts auszusetzen gab. Raventhorne saß ihr gegenüber, ohne zu essen. Einen Arm hatte er über die Stuhllehne gelegt, der andere lag auf dem Tisch. Er hielt eine kalte Pfeife in der Hand. Olivia fand es unerträglich, daß er sie keinen Moment aus den Augen ließ. Sie konnte seinen Blick nicht deuten. Raventhorne beabsichtigte auch nicht, daß sie sich wohl fühlte. Er stand offenbar immer unter Hochspannung. Die Luft zwischen ihnen knisterte, und das machte die Unterhaltung mühsam. Nichts an ihm wirkte locker, und Olivia rechnete ständig damit, daß er etwas sagen würde, was sie aus dem Gleichgewicht brachte. Aber ihre Neugier war noch lange nicht befriedigt. Sie wollte sehr viel mehr über diesen Mann wissen, der sie in seinen Bann gezogen hatte. Kinjals Geschichte lieferte ihr nur einen schwachen Umriß, den sie unbedingt mit deutlichen Konturen füllen wollte. Sie fand einen Ansatz, als Raventhorne eine ihrer Fragen mit dem Satz beantwortete: »Nein, der amerikanische Anteil am Chinahandel ist trotz der Aufhebung der Navigationsakte noch immer gering. Meiner Meinung nach werden die Klipper nicht viel daran ändern. Aber da ich mich für den Handel mit China nicht mehr interessiere, mag meine Prognose nicht richtig sein.«
    »Mit welchen Schiffen sind Sie gefahren«, fragte Olivia und beschäftigte sich mit einer Scheibe Speck, um seinem Blick auszuweichen, »als Sie sich noch für den Chinahandel interessiert haben?«
    »Mit Pötten, die einem Sieb glichen!« Er verzog das Gesicht. »Das erste war eine schrottreife Brigg, die wir gechartert hatten. Eine rostige Kanone stand auf dem Vorderdeck. In einem Faß lagen unbrauchbare Waffen, und wir hatten einen Korb mit Steinen, die wir auf die Piraten schleudern wollten, wenn die Abzüge klemmten.«
    Die Erinnerung schien ihn zu belustigen. Er lächelte und wirkte plötzlich um Jahre jünger. »Ich war natürlich ein ahnungsloser Dummkopf, aber ich habe wie eine Katze neun Leben und lebe noch.«
    Olivia faßte Mut. Er schien nichts gegen diese Fragen zu haben. »Sie sagen ›wir‹. Wer waren die anderen?«
    »Eigentlich nur mein amerikanischer Partner.«
    Raventhorne? Aber das wagte Olivia nicht zu fragen. »Weshalb sind Sie Geschäftspartner geworden?«
    »Für eine Fahrt ins Eldorado«, antwortete er mit einem trockenen Lächeln. »Wir tauschten Felle gegen Seide, Tee und Jade. Er hatte das nötige Kapital.«
    »Und was haben Sie beigesteuert?«
    »Seemännische Erfahrung und Muskelkraft.« Er entzündete die Pfeife und rauchte versonnen. »Und die Garantie, daß wir an der chinesischen Küste Gewinne machen würden.«
    »Garantie? Was wäre gewesen, wenn Sie Verluste gemacht hätten?«
    »Verluste?« Er sah sie überrascht an. »Daran habe ich nie gedacht. Es gab keine Verluste. Die Brigg sank im West River nach der zweiten Fahrt. Wir konnten uns aber inzwischen etwas Besseres leisten und wurden mit jeder Fahrt reicher.« Er blickte in die Ferne. »Das waren noch gute Zeiten – damals in den dreißiger Jahren.«
    Olivia lehnte sich zurück. Sie freute sich, daß er endlich zugänglicher wurde und daß die Ruhelosigkeit aus seinen Augen

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