Wer Liebe verspricht
und erforsche die Stadt. Ich lese sehr viel, und ich genieße es, ganz gewöhnliche alltägliche Dinge zu entdecken. Ich finde, es gibt soviel über diesen exotischen Subkontinent zu lernen.«
»Lernen?« Er sah sie überrascht an. »Aber, aber, meine liebe Miss O’Rourke! Wir sind nicht hier, um zu lernen, wir sind hier, um zu lehren !«
Diesmal ärgerte sich Olivia über die Herablassung. »Ach wirklich? Dann sagen Sie mir doch, Mr.Barstow, welche Qualifikationen haben Sie, um die Inder etwas zu lehren, wo Sie doch von Oxford geflogen und in die Kolonien verbannt worden sind?«
Er errötete, überspielte den Affront jedoch mit einem gemurmelten »Touché!« Trotzdem war in seinen blaßblauen Augen Zorn. »Ich habe in der guten Gesellschaft Kalkuttas gehört, daß Sie, Miss O’Rourke, eine junge Dame mit eigenen Ansichten sind. Darf ich fragen, wie es kommt, daß Sie bereit waren, freiwillig ein Mitglied der Fischfangflotte zu werden? Ich bin sicher, Sie werden mir die Frage nicht verübeln, da Amerikanerinnen doch so bewundernswert direkt und geradeaus sind.«
»Die Fischfangflotte?« Olivia sah ihn verständnislos an.
»Sie kennen den Ausdruck nicht?« Er fuhr sich mit der Fingerspitze über den gewachsten Schnurrbart. »Dann gestatten Sie mir, Sie aufzuklären. Jahr für Jahr kommen Scharen junger Damen in der Absicht nach Indien, einen Ehemann zu finden. Im hiesigen Sprachgebrauch ist es die Fischfangflotte. Wenn ihre Suche erfolglos bleibt, und bei manchen ist das bedauerlicherweise so, sind sie gezwungen, wieder abzufahren, ohne sich einen Mann geangelt zu haben. Dann gehen sie als Leerfracht zurück nach Hause.« Er lachte leise, fügte aber rasch hinzu: »Natürlich könnte eine so hübsche junge Dame wie Sie, Miss O’Rourke, unmöglich zur Leerfracht gehören, und schon gar nicht, wenn Lady Bridgets Bemühungen erfolgreich sind.«
Dieser aufgeblasene Laffe! Olivia packte die kalte Wut, aber sie ließ sich nichts anmerken. Lieber würde sie sterben, als ihm die Genugtuung verschaffen, zu sehen, daß sie sich ärgerte! »Da wir Amerikanerinnen so direkt und geradeaus sind, Mr.Barstow«, sie lächelte reizend, »könnten manche junge Damen Ihre gütigen Worte als Heiratsantrag betrachten. Sind sie das?« Olivia hatte das große Vergnügen, zu beobachten, wie er dunkelrot anlief und ihm der Mund offenstand. »Nein? Nun, ich kann nicht leugnen, daß ich erleichtert bin. Es gibt bestimmt Schlimmeres, als zur zurückgeschickten Leerfracht zu gehören. Sie entschuldigen mich.« Mit einem glockenhellen Lachen ließ sie ihn stehen und stürzte sich in die Menge. Innerlich kochte sie vor Wut.
Lady Bridget saß am anderen Ende des Raums und strahlte. Wie gut Olivia mit den jungen Männern zurechtkam – um nur nach dem Lachen zu urteilen! Barstows Familie gehörte zwar trotz eines adligen zweiten Vetters nicht in denselben Rang wie Freddies Familie, aber auch die Barstows waren nicht zu verachten. Lady Olivia war für den Augenblick zufrieden. Sie wandte sich wieder der Gastgeberin zu und plauderte fröhlich mit ihr über die schreckliche Hitze.
Glücklicherweise schien Freddie aus Olivias unmittelbarer Umgebung verschwunden zu sein. Sie nutzte seine Abwesenheit und eilte rasch, ehe es zu spät war, durch den Raum zur Veranda an der Rückseite, die auf den Garten ging. Auf dem Weg dorthin beklagte sich eine Mrs.Babcock, die Frau eines Methodistenpredigers, bitter über die miserable, wirklich miserable finanzielle Unterstützung, die ihr Mann von der Kirche erhielt, wenn man an die Mittel dachte, die der Amerikanischen Missionsgesellschaft in Bombay zur Verfügung standen. Sie schien ausschließlich Olivia für diese Ungerechtigkeit verantwortlich zu machen. Estelle schwebte kurz vorüber und ließ sich versichern, daß ihr smaragdgrünes Georgettekleid wirklich sehr viel eleganter war als Charlotte Smithers geschmackloses Konfektionskleid aus London. Außerdem baten ein Leutnant Pringle in einer prächtigen Marineuniform und einige andere Männer darum, sich auf Olivias Karte für einen Tanz vormerken zu dürfen.
Der Garten hinter dem Haus lag verlassen. Nur zwei Diener mit Turban und in langen weißen Jacken warteten stumm auf Befehle. Man hatte sie gelehrt, den Sahibs und Memsahibs niemals ins Gesicht zu sehen. Deshalb senkten sie den Blick und verneigten sich tief, als Olivia an ihnen vorbei und auf den Rasen lief. Eine hohe Mauer trennte das Grundstück der Pennyworthys vom befestigten Ufer. Das
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