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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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obwohl es das letzte war, das sie sich auf solchen öden Gesellschaften wünschte. An diesem Abend sehnte sie sich trotzdem nach der Aufmerksamkeit anderer, und sei es auch nur, um Freddies Anwesenheit erträglicher zu machen, denn dieser Gentleman himmelte sie an. Ihre Kiefer schmerzten vom obligatorischen Lächeln, und ihre Schläfen pochten aus Mangel an frischer Luft in den überfüllten Räumen. Aber es gab keine Möglichkeit zur Flucht. Selbst Estelle war am Arm ihres schneidigen Hauptmann Sturges verschwunden, und Olivia hatte absolut kein Verlangen danach, in Gesellschaft von Lady Bridget und ihrer Freundinnen Erlebnisse mit Flöhen, Wanzen oder diebischen Köchen auszutauschen.
    Olivia schlenderte mit ihrem Kavalier leicht verzweifelt durch einen Raum, in dem es von bekannten Gesichtern wimmelte, denen sie aber nur wenige Namen zuordnen konnte. Wie bei allen Burra Khanas sah man auch hier die obligatorischen Uniformen, die übliche Mischung aus Kaufleuten, Bankiers und Beamten der John-Kompanie. Die Herren in Zivil trugen Gehröcke und Hemden mit steif gestärkter Brust. Ein oder zwei junge Burschen waren in sportlichen Reithosen und mit gemusterten seidenen Halstüchern erschienen. Die Damen liebten besonders Krinolinen und Chintz über Reifröcken und üppigen Petticoats. Das eng anliegende Oberteil war mit Rüschenkrägen, Schleifen, Knöpfen, Bändern und Metern von Spitze verziert, die durch das ständige Waschen schlaff herunterhing. Olivia wußte, wenn sie dem Drängen ihrer Tante nachgegeben und das smaragdgrüne Kleid aus Tussahseide angezogen hätte, wäre sie vor Hitze umgekommen. Das lavendelfarbene Organdykleid mit den kurzen Puffärmeln und dem leicht gerundeten Ausschnitt, für das sie sich statt dessen entschieden hatte, war ungewöhnlich schlicht, aber wenigstens luftig.
    Während Olivia sich an Freddies Seite plaudernd zwischen den Gästen bewegte, war sie vielen ›Gefahren‹ ausgesetzt, und das ›Plaudern‹ empfand sie als eine Strafe. Sie wurde immer wieder aufgefordert, das Gesagte zu wiederholen, und, was noch schlimmer war, auch sie mußte andere ständig darum bitten. Olivias Aussprache klang für die Engländer merkwürdig, aber deren Dialekte – die von Cornish bis Cockney reichten – verwirrten Olivia nicht weniger. Mit ständig wiederkehrenden umgangssprachlichen Ausdrücken wie Tiffin (Mittagessen), Mofussil (die Provinz), Gymkhana (Sportveranstaltung) und Chota Peg (der erste Whisky oder Brandy mit Soda) konnte sie ohne Erklärung überhaupt nichts anfangen. Besonders ärgerte sie die erschreckende Unwissenheit der Engländer über ihre Heimat. Einen gewissen Trost bot vielleicht der ebenso niedrige Wissensstand über Indien – das Land, in dem sie lebten – und sogar über England, von dem man sehnsüchtig als ›zu Hause‹ sprach, obwohl viele nie dort gewesen waren.
    »Wie ertragen Sie dieses höllisch langweilige Leben hier, Miss O’Rourke? Finden Sie nicht auch, daß man verrückt werden kann?«
    Olivia drehte sich um und stand vor Peter Barstow, einem Freund von Freddie. Noch ein Nichtstuer mit Vermögen. Sie hatte ihn schon einmal getroffen, fand ihn oberflächlich und langweilig. »Ich ertrage es sehr gut hier, Mr.Barstow«, erwiderte sie weniger wahrheitsgemäß als aus Loyalität gegenüber den Templewoods. »Weshalb bleiben Sie, wenn Sie das Leben hier nicht ertragen können?«
    »Aus dem gleichen Grund wie Freddie. Auf Paters Befehl.«
    »Pater?«
    »Sein Vater«, erklärte Freddie. »Wir sind beide von Oxford geflogen. Unsere alten Knaben waren wütend, zu Recht, würde ich sagen. Die ganze Sache war eine schreckliche Schande, die Ehre der Familie befleckt und so weiter. Jeder fand, wir würden in den guten alten Kolonien die Familie vermutlich weniger in Mißkredit bringen, nicht wahr, Peter?« Er rülpste, entschuldigte sich und verschwand leicht schwankend in Richtung Bar.
    Olivia sah ihm verständnislos nach. »Geflogen?«
    »Gefeuert. Hinausgeworfen, verstehen Sie?« Barstow grinste. »Eigentlich ein Glück. Ich konnte das staubige alte Mausoleum ohnehin nicht länger ertragen.« Er trank einen Schluck und betrachtete Olivia nachdenklich über den Rand des Glases. »Bitte verraten Sie mir, Miss O’Rourke, da Sie dieses verfluchte Land so gut ertragen, was machen Sie in den langen öden Stunden des Tages? Glauben Sie mir, ich sehne mich wirklich danach, es zu erfahren.«
    Olivia überging den kaum verhüllten Spott. »Ich reite jeden Morgen aus

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