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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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wird mir das niemals verzeihen. Ich bin ihr das schuldig.« Sie sprach lauter und hastig.
    »Du hast den Lebenden gegenüber Pflichten, Tante Bridget, nicht den Toten!« Olivia drückte sie sanft auf das Kissen zurück, als sie sich aufrichten wollte. »Du mußt an Estelle denken, wenn sie zurückkommt, und an Onkel Josh. Sie …«
    »Estelle ist auch tot«, rief Lady Bridget, und es klang eher wie ein Krächzen. »Und Josh? Für ihn ist es zu spät. Es ist für alles zu spät …«
    »Das stimmt nicht!« rief Olivia, von Ungeduld und Panik erfaßt.
    »Wenn ihr beide in England seid, könnt ihr …«
    »Ich werde England nicht wiedersehen. Ich kann keinem Menschen mehr unter die Augen treten.« Ihre Stimme brach, und sie begann leise zu schluchzen. »Mein Leben ist zu Ende und nicht zu Ende. Nichts ist mehr da.«
    Das ist Erpressung!
    Olivia hatte das Gefühl, die Schuld eines anderen bezahlen, die Verpflichtungen und Unterlassungen eines anderen erfüllen zu müssen. Nein, das würde sie nicht zulassen. Wie konnte ihre Tante es wagen, sie zu fesseln, ihr den Fluchtweg abschneiden und sie zwingen, sich ihrem Willen zu beugen? »Dein Leben ist weder beendet noch unbeendet«, widersprach sie heftig und schüttelte ihre Tante beinahe ungestüm. »Es besteht kein Grund für dich, Vergebung für eingebildete Vergehen der Vergangenheit zu suchen. Aber wenn es dir darum geht, dann vergebe ich dir als die Tochter meiner Mutter hundert- oder tausendmal, wenn es dich erleichtert.«
    Lady Bridget schwieg. Eine Weile blieb sie stumm, dann sagte sie ruhig und leise: »Also gut, Olivia. Wenn du mir im Namen deiner Mutter vergibst, nehme ich das an. Aber niemand kann mich zwingen zu leben, wenn ich nicht mehr leben will.«
    Man schlug den letzten Nagel in den Sarg. Das Schicksal hatte Olivia schließlich doch besiegt. Das diabolische Melodrama, das in jener denkwürdigen Nacht auf den Stufen am Fluß begonnen hatte, näherte sich dem Höhepunkt, und sie spielte wegen ihrer Sünden die Hauptrolle. Die Zeit der Unentschlossenheit war vorüber.
    Als Olivia deshalb am Samstag in die prächtige Kutsche der Maharani stieg, die sie nach Kirtinagar brachte, hatte sie kaltblütig einen unvermeidlichen Entschluß gefaßt.
    *
    »Möchten Sie das wirklich, Olivia?«
    Wenn Kinjal über ihre Bitte schockiert war, dann zeigte sie es nicht. Die ruhigen Augen verrieten nur Sorge. Olivia war in Kirtinagar ohne Vorwürfe, ohne Selbstzufriedenheit oder unausgesprochene moralische Verurteilung empfangen worden. Olivia warf sich wortlos in Kinjals Arme und vergoß an ihrer mitfühlenden Schulter eine Flut von Tränen. »Ich hätte auf Ihre Warnungen hören sollen«, schluchzte Olivia gebrochen. »Mir geht es schlecht, Kinjal, mir geht es schlechter, als Sie sich vorstellen können. Leider führt dieser Zustand nicht zum Tod.«
    »Du meine Güte, das klingt ja nach einer völligen Niederlage!« rief Kinjal und bemühte sich, ihre Sorge hinter einem Anflug von Humor zu verbergen. »Was ist denn aus der mutigen Amerikanerin geworden?«
    »Sie ist nicht mehr mutig, sondern besiegt«, erwiderte Olivia mit einem gequälten Lächeln. »Ich brauche jetzt Ihre Kraft, Kinjal. Nur Ihnen kann ich meine Schwäche gestehen, denn ich habe sonst niemanden. Und ich habe es so satt, so satt zu schweigen, edelmütig zu sein, eine zuverlässige Stütze und unentwegt einfallsreich. Auch ich muß einmal trauern, mich meinem Kummer überlassen, meinen Verlust überdenken und, wenn notwendig, vor Selbstmitleid vergehen, damit ich wieder zu mir selbst finde …«
    Sie saßen im Palast der Maharani auf der Terrasse, und ihnen bot sich ein prachtvolles Schauspiel. Inmitten von rosaroten Wolken sank die Sonne in den See. Die Düfte des Abends waren berauschend. Die Rückkehr nach Kirtinagar riß in Olivia neue Wunden auf – aber keine schlimmeren als alles andere in ihrem Leben, sagte sie sich bitter.
    Ich muß einfach mit jemandem reden.
    »Mein Mann macht mit den Kindern ein Picknick«, sagte Kinjal, »sie wollen in der Nähe des Bergwerks, wo die Aufräumungsarbeiten begonnen haben, im Zelt übernachten und auf die Jagd gehen. Wir sind ein oder zwei Tage völlig ungestört. Sie können sich alles von der Seele reden, Olivia.«
    Kinjal kannte natürlich den Grund ihres Unglücks. Olivia mußte ihr noch die Einzelheiten berichten. Und was für ein Segen war es für sie, endlich allen Stolz zu vergessen und die Wahrheit auszusprechen, die ganze Wahrheit und nichts als die

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