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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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Onkel zerfleischen, bis nur noch die nackten Knochen übrig wären. Ich kann mich vielleicht wehren und hacken und kratzen wie diese Harpyien. Aber würde es sich lohnen?« Sie schluckte ihren Zorn hinunter und ballte die Fäuste. »Nein, nein und nochmals nein ! Wie Jai einmal in einem anderen Zusammenhang gesagt hat, das Spiel lohnt den Einsatz nicht. Wie auch immer, ich habe nicht den Wunsch, den Bastard eines Bastards auf die Welt zu bringen.«
    Damit war alles gesagt.
    Nach einigen Momenten der Stille lächelte Kinjal. »Sie sind eine mutige Frau, Olivia. Vielleicht haben Sie recht. Vielleicht kann man die Vergangenheit nur vergessen, wenn man sie aus sich herausschneidet. Wir müssen jetzt an die Zukunft denken. Vielleicht ist es ein vernünftiger neuer Anfang, zuerst reinen Tisch zu machen.«
    Sie erhob sich, rief eine Dienerin und erteilte ihr schnell eine Reihe von Anweisungen.
    *
    Die alte Frau glich einer Krähe. Das Alter hatte ihr den Rücken gekrümmt, und die langen, knochigen Finger fühlten sich wie Krallen an. Während sie unter den Bettlaken fühlte, drückte und tastete, beobachtete Olivia mit nervöser Faszination den einzigen großen Zahn in dem schlaffen, faltigen Mund. Um sie herum eilten lautlos Dienerinnen. Sie brachten heißes Wasser in Messingkrügen, Bananenblätter, bündelweise Zweige und Blätter, haardünne Wurzeln mit knollenartigen Enden, Flaschen mit farbiger Flüssigkeit und sonderbare, bedrohlich aussehende Instrumente. Ein lebender Hahn, dessen scharlachroter Kamm vor Empörung glühte, saß eingesperrt in einem Korb. In seiner Nähe lag unheilvoll ein Messer mit geschwungener Klinge. In einer Ecke des Raums stand auf einem Petroleumofen ein Hexenkessel, in dem eine dunkle, dickflüssige, beinahe ebenholzschwarze Masse brodelte. Sogar Kinjal wirkte inmitten der allgemeinen Düsterkeit fremd und seltsam unheimlich.
    »Was geschieht jetzt?« fragte Olivia und fuhr sich mit der trockenen Zunge über die aufgesprungenen Lippen.
    »Alles, was notwendig ist, um Ihre Wünsche zu erfüllen«, erwiderte Kinjal dunkel. »Die alte Frau ist erfahren und besitzt großes Wissen. Sie sagt, Ihr Fall sei einfach. Sie zweifelt nicht an dem Erfolg. Können Sie ihr ungefähr den Zeitpunkt der Zeugung nennen?«
    Ungefähr? Olivia hätte beinahe gelacht. Sie überwand die Bitterkeit, die ihr die Kehle zuschnürte, und nannte den Zeitpunkt auf die Stunde genau. Und während sie es tat, stellten sich klar und deutlich die Erinnerungen an die wunderbare, zärtliche Liebesnacht wieder ein. In allen Einzelheiten sah sie die damals so kostbaren Augenblicke wieder lebendig vor sich. Nicht Jai wollte diese Saat des Teufels, die Olivia jetzt verfluchte, nein, sie hatte es so gewollt. Ihr zuliebe, zur Erfüllung ihrer erotischen Wünsche und sinnlichen Befriedigung hatte er seine Lebenskraft ungehindert in sie strömen lassen. Olivia wußte, sie hatte das Kind in diesem leidenschaftlichen und einmaligen Moment empfangen, weil sie es so wollte.
    Gib mir einen Teil von dir …
    In plötzlicher Verzweiflung umklammerte sie Kinjals Hand. »Bleiben Sie bei mir, bitte bleiben Sie bei mir – ich kann es allein nicht ertragen.«
    Kalte Finger legten sich begütigend auf ihre schweißnasse Stirn. »Ja, ich werde bei Ihnen bleiben. Die Frau fragt, ob sie anfangen kann.« Trotz der körperlichen Berührung wirkte Kinjal sehr fern und völlig unbeteiligt.
    Die Verzweiflung ließ nach. Olivia nahm sich zusammen und sagte:
    »Ja, sie kann beginnen.«
    Unter den leisen rituellen Gesängen und Anrufungen der Frauen richtete sich Olivia auf und trank eine dunkle Flüssigkeit, die man ihr in einem silbernen Becher reichte. Die Wirkung setzte auf der Stelle ein. Eine bleierne Schwere erfaßte Glieder und Körper. Sie sank gegen die Kissen und schloß die Augen. Sie schien zu schweben und sich von ihrem Leib zu lösen. Sie sah, wie die alte Frau sich von einer Seite zur anderen Seite neigte; ihre gekrümmten Finger glitten über Schüsseln und Flaschen; sie mischte, ergänzte und sortierte mit einem Können, das über viele Jahrhunderte weitergegeben worden war. Benommen vertrieb Olivia die häßliche Gegenwart. Sie dachte statt dessen an wunderschöne Sonnenaufgänge, an stolz über den Rasen schreitende Pfauen, die ihr schimmerndes Rad schlugen, an Rosen und Pferde, an Pappeln und Schmetterlinge, die gemächlich über Blumenteppiche schwebten. Ein heißer, süßlicher Duft drang ihr in die Nase und füllte ihren Kopf. Der

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