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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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im Garten und einen weißen Sandstrand für die Kinder zum Spielen …
    Zum ersten Mal seit Wochen hob sich für Olivia die dunkle Wolke des endlosen Unheils. Das Leben schien trotz allem nicht ganz ohne Hoffnung zu sein. Mehr denn je sehnte sie sich danach, hier wegzukommen, und in der beseligenden Vorfreude fand sie den Mut, mit ihrer Tante über die geplante Abreise zu sprechen. Seit der Rückkehr nach Kalkutta hatte sich Lady Bridgets Zustand erheblich gebessert. Sie hatte Farbe in den Wangen und lief wieder mit festen Schritten durch das Haus. An diesem Vormittag hatte sie Babulal mit zwei Gurken unter dem Turban ertappt und sich aufgerafft, ihn energisch zurechtzuweisen. Allein das ist ein Zeichen dafür, dachte Olivia, daß Tante Bridget das Schlimmste überstanden hat.
    Lady Bridget saß mit der unvermeidlichen Bibel im Schoß im Garten und hörte Olivia mit erstaunlicher Ruhe zu. Als alles gesagt und erklärt worden war, umarmte Olivia ihre Tante. »Du bist so gut zu mir gewesen, Tante Bridget«, flüsterte sie mit belegter Stimme, »und ich war sehr glücklich bei euch, wirklich …, aber jetzt muß ich zurück zu meinem Vater.«
    »Ja, ich weiß, mein Kind, ich weiß.« Zerstreut gab ihr die Tante einen Kuß auf die Wange.
    »Und du wirst bald nach London aufbrechen«, fuhr Olivia hastig fort, um die Gunst der Stunde zu nutzen, »vielleicht läßt sich Onkel Josh überreden, dich zu begleiten. Das hast du doch schon immer gewollt, nicht wahr? Dann könntest du im nächsten Frühling in Norfolk sein, wenn die Osterglocken blühen und die Leute sonntags auf den Wiesen Picknicks veranstalten.« Der nachdenkliche Blick ihrer Tante machte Olivia Mut, und sie sagte: »Du und Onkel Josh, ihr seid jetzt allein, und ihr habt beide gleich viel gelitten. Kannst du dich nicht überwinden und ihm verzeihen?«
    Lady Bridget erstarrte. »Das kann allein unser Herrgott. Und SEIN ist die Rache.«
    Rache? fragte sich Olivia gereizt und sagte versöhnlich: »Was geschehen ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden, Tante Bridget. Man kann es nur hinnehmen. Du wirst dich eines Tages auch mit Estelles Flucht abfinden, wie schrecklich du es auch findest.« Etwas härter im Ton fügte sie hinzu: »Und eines Tages wird Estelle vielleicht zurückkommen …«
    »Zurückkommen?« Lady Bridget richtete sich auf und begann zu zittern. »Glaubst du wirklich, ich würde sie nach all dem wieder als meine Tochter anerkennen? Nach all dem …? «
    Die Heftigkeit, das häßlich verzerrte Gesicht und der schneidende Ton erschreckten Olivia. Selbst jetzt, während sie unter den Auswirkungen der allgemeinen Verzweiflung litten, nachdem soviel verloren und nur noch so wenig vorhanden war, brachte es die Tante fertig, ihre Tochter moralisch zu verurteilen? »Man muß jedem einen Fehler im Leben verzeihen«, beharrte Olivia nachdrücklich, »du wirst es doch sicher über dich bringen, Estelle zu vergeben.« Olivia lächelte schwach über den Großmut, mit dem sie jemanden verteidigte, der mitgeholfen hatte, ihr Leben zu zerstören.
    Lady Bridget griff nach der heruntergefallenen Bibel und stand auf.
    »Du bist ein gutes Mädchen, Olivia, aber du hast nichts begriffen, nichts. «
    Sie klemmte die Bibel unter den Arm und ging mit einem verächtlichen Blick auf ihre Nichte davon.
    *
    Olivia begann zu packen.
    Der verzweifelte Wunsch, Indien zu verlassen, half ihr, alle anderen Gedanken und Überlegungen beiseite zu schieben. Gewiß, sie hing an ihrer Tante und an ihrem Onkel, aber das Schicksal hatte jedem von ihnen eine andere Last auf die Schultern gelegt. Olivia mußte jetzt an ihre eigene Last denken, an die Last, die sie in ihrem Körper trug. Sie verschloß sich auch gegen alle Gedanken an Jai Raventhorne, die ungewollt in ihr aufstiegen. Er hatte sie verlassen. Sie würde ihn nie wiedersehen, und sie wollte ihn auch nicht wiedersehen. Der Teil ihres Lebens, den er sich genommen hatte, würde mit der Zeit wie ein zufällig abgerissener Ast nachwachsen. Im Augenblick wollte sie nur fliehen und dorthin eilen, wo sie wirklich zu Hause war. Sie wollte sich und ihren Kummer in die liebevollen Arme der geliebten Sally werfen. Ihre Lage machte Olivia Angst – o Gott, sie hatte schreckliche Angst!
    Ein australisches Schiff, das in den Docks repariert worden war, würde in Kürze in Richtung Pazifik auslaufen und mit größter Wahrscheinlichkeit auch Honolulu anlaufen. Arthur Ransome sprach mit dem Kapitän, der sich damit einverstanden

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