Wer Liebe verspricht
»Weißt du, ich kann es immer noch nicht glauben!« flüsterte er auf der Heimfahrt in der Kutsche. »Ich denke immer, du wirst dich um Mitternacht in einen Kürbis verwandeln und in Luft auflösen.«
»Nein, ich werde mich nicht in Luft auflösen, mein lieber Freddie«, erwiderte Olivia mit bissigem Humor, »aber ich werde mich bestimmt in einen Kürbis verwandeln!«
Er wurde rot und verstummte. Ein Thema bereitete ihm sichtliches Unbehagen – ihre Schwangerschaft.
Ihre erste Burra Khana an diesem Abend wurde ein überragender Erfolg. Olivia hatte sich größte Mühe mit dem kalten Büfett gegeben. Und seltsamerweise bereitete es ihr sogar Vergnügen. Die Tafel bog sich unter einer Vielzahl erlesener Köstlichkeiten, und trotz großer innerer Vorbehalte hatte sie enorme Mengen Bier und andere alkoholische Getränke kommen lassen. Sie wollte Freddie vor seinen Freunden keine Schande machen und knausrig erscheinen. Olivia scheute keine Mühe und hieß die rauhe Polo-Gesellschaft auf das herzlichste willkommen. Aber da keine Damen eingeladen waren, zog sie sich bald in ihr Zimmer zurück. Während die Stunden vergingen, die Unterhaltung an Lautstärke zunahm und die Gäste jede Zurückhaltung verloren, bekam sie es langsam mit der Angst zu tun. Wie würde Freddie sich am Ende des Abends benehmen, da genug Alkohol im Haus war, um ein Schiff darin schwimmen zu lassen?
Um vier Uhr morgens erschien er schließlich leise im Schlafzimmer. Olivia erwachte aus ihrem unruhigen Schlaf und erstarrte. Er beugte sich behutsam über sie und küßte sie auf die Stirn. Olivia schnupperte so unauffällig wie möglich. Er lachte leise. »Du kannst schnuppern, soviel du willst, mein teures Weib, heute wirst du keine Spur Alkohol riechen, nicht einen Hauch !« Stolz öffnete er den Mund und atmete heftig aus.
Mit einem leisen Aufschrei setzte Olivia sich auf. »Oh, Freddie – du hast den ganzen Abend nichts getrunken?«
»Keinen Schluck, keinen einzigen! Siehst du, mein Liebling, heute riechst du nur Rosen, große, schreckliche, dicke Rosen.« Er seufzte.
»Oh, Freddie, du bist ein Schatz …!« Mehr brachte Olivia vor Erleichterung nicht über die Lippen. Spontan nahm sie seinen Kopf in beide Hände und küßte ihn.
Seine Augen füllten sich langsam mit Tränen. »Weißt du, es ist das erste Mal, das allererste Mal, daß du mich freiwillig geküßt hast …«
Olivia mußte schlucken. Sie biß die Zähne zusammen und gab ihm noch einen Kuß. »Du hast dein Versprechen gehalten, und dafür verdienst du mehr, viel mehr. Wenn es in meiner Macht läge, würde ich dir gerne meine rechte Hand opfern.«
»Was du mir auch gibst, Liebste, ich nehme es dankbar.« Er holte tief Luft und fügte leise hinzu: »Mehr will ich nicht.« Er legte sich behutsam neben sie und schlief mit dem Kopf an ihrer Schulter ein.
Aber eines Tages wirst du mehr wollen …
Wenn überhaupt etwas, dann gefiel Olivia in Madras der Strand, an dem der Bungalow stand. Seit ihrer Abreise aus Kalifornien war sie nicht mehr am Meer gewesen. Jetzt lief sie jeden Morgen barfuß über den weißen Sand und fühlte sich schmerzlich an die Heimat erinnert. Wieder einmal überwältigte sie das Heimweh. Sie würde das geliebte Land nie wieder sehen. Sie saß in einer Falle, und diese Falle war Indien. Sie würde sich nie wieder daraus befreien können. Im salzigen Wind, der über das Meer kam, lief sie jeden Tag meilenweit und fühlte sich hilflos eingesperrt in einem Käfig der Verzweiflung und Einsamkeit. Das endlose Meer rief auch andere schwermütige Gedanken in ihr wach – irgendwo auf diesem Wasser fuhr Jai Raventhorne mit seiner Ganga …
Olivia zwang sich, diese Gedanken zu vertreiben und sie zurückzuweisen. Die unbeabsichtigte Schwäche, die Flucht in die Erinnerung wie in der Hochzeitsnacht sollte ihre Denkprozesse nie mehr beeinträchtigen. Mit jedem vorübergehenden Tag wuchs ihr Haß auf Jai Raventhorne. Diesen Haß wollte sie nähren und sich erhalten. Sie würde sich nicht noch einen Rückfall erlauben.
*
Drei Tage nach der Rückkehr aus Madras kam es für Olivia zu dem gefürchteten Gespräch.
In ihrer Abwesenheit hatte man für Freddie und sie im ersten Stock des Birkhurstschen Palais an der Esplanade eine abgeschlossene Wohnung hergerichtet. Sie bestand aus zwei miteinander verbundenen Schlafzimmersuiten, einem Wohnzimmer, einem Eßzimmer, einem Arbeitszimmer, einem Ankleidezimmer und einem Anrichtezimmer. Die Templewoods lebten
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