Wer Liebe verspricht
brauchen.«
Erschrocken beteuerte Olivia immer wieder das Gegenteil. Die Anwesenheit ihrer Tante bei der Geburt wäre die Katastrophe schlechthin gewesen! »Mama ist doch hier, Tante Bridget. Und bei Dr.Humphries bin ich in besten Händen. Ich versichere dir, es gibt wirklich keinen Grund, daß du deine Pläne änderst. Ich weiß doch, wie sehr du deine Abreise herbeisehnst.«
Zwischen Schuldgefühlen und Erleichterung hin und her gerissen, murmelte Lady Bridget: »Also, du mußt mir alle Einzelheiten schreiben … Du mußt mir genauestens berichten, wie die Schwangerschaft verläuft. Und wenn das Kind kommt, will ich natürlich alles wissen.« Sie betrachtete Olivia nachdenklich. »Mir scheint, du bist bereits ungewöhnlich dick. Dr.Humphries soll dich bald gründlich untersuchen.«
Olivia wechselte schnell das Thema und fragte: »Möchtest du, daß ich mir Estelles Zimmer vornehme und ihre Sachen wegpacke?« Seit Estelle das Haus verlassen hatte, war das Zimmer verschlossen, als habe Lady Bridget mit dem Vorhängeschloß an der Tür einen Teil ihres Lebens abgeschlossen.
Das Gesicht ihrer Tante versteinerte sofort. »Nein, das ist nicht nötig. Du kannst später alles abholen lassen und für wohltätige Zwecke spenden. Es muß nichts aufgehoben werden.«
*
Nachdem Lady Birkhurst ihrer Schwiegertochter die Verantwortung für den Haushalt übergeben hatte, mischte sie sich in nichts mehr ein. Sie schien auch Olivias Ausgaben nicht zu kritisieren – selbst dann nicht, als Olivia aus einem inneren Drang heraus beinahe sofort die Wohnungen und das Gelände des Personals von Grund auf instand setzen und teilweise neu aufbauen ließ. Freddie war natürlich wie immer die Großzügigkeit in Person. Er war nur allzu froh, sich nicht mehr um den lästigen Haushalt und die damit verbundenen Geldfragen kümmern zu müssen. Trotz der Last, mit der Lady Birkhurst ihr Gewissen beschwert hatte, empfand Olivia sie als Freundin und Verbündete. Allein die Anwesenheit ihrer Schwiegermutter in dem Haus tröstete Olivia und erfüllte sie mit Dankbarkeit, denn abgesehen von Kinjal wußte nur sie um das schreckliche Geheimnis. Als sie deshalb eines Morgens wieder nach unten gerufen wurde, ahnte Olivia nicht, daß sie der nächste Schlag erwartete. Das Gespräch begann unbeschwert mit einem Vorschlag, den sie sehr begrüßte.
»Du bist unternehmungslustig und intelligent, Olivia. Was hieltest du davon, täglich ein paar Stunden in unserem Kontor zu arbeiten? Schließlich wollen wir nicht, daß du vor Langeweile stirbst!«
Olivia freute sich. »Das wäre schön! Ich habe auch schon daran gedacht, aber noch gezögert, weil ich dachte, du würdest das möglicherweise mißbilligen.«
»Mein Kind, ich habe inzwischen schon so viel gebilligt«, erwiderte Lady Birkhurst trocken, »und das ist eine Kleinigkeit und für dich ein Akt reiner Selbsterhaltung. Ich werde mit Willie darüber sprechen. Er wird sich bestimmt nicht freuen. Allein der Gedanke, daß ein Rock in seinem geheiligten Kontor herumflattert, wird den alten Griesgram zur Weißglut treiben. Aber kein Mensch versteht vom Handel im Fernen Osten mehr als Willie – auch wenn ich bei seinen Vorträgen nach fünf Minuten einschlafe.« Sie lachte. »Ich werde die Sache noch regeln, bevor ich fahre.«
»Fahren?« Olivia wurde blaß. »Wohin willst du fahren?«
Lady Birkhurst seufzte tief und griff nach einem Brief, der neben ihrem Ellbogen auf dem Tisch lag. »Unser Verwalter in Farrowsham hat mir geschrieben. Caleb geht es sehr schlecht. Er beschwört mich, mit dem nächsten Schiff nach Hause zu kommen.« Olivia schwieg, erschrocken über diese Nachricht. Auf der Stirn ihrer Schwiegermutter erschienen tiefe Falten. »Weißt du, Olivia, im Gegensatz zu seinem Sohn, dessen schlechter Gesundheitszustand von Ausschweifungen und Trägheit stammt, ist Caleb krank vor Überarbeitung und Härte gegen sich selbst. Er kümmert sich mit größter Hingabe um den riesigen Besitz und nimmt ganz anders als die meisten Peers, die nur aufgeblasene Nichtstuer und dumme Schwätzer sind, seine Aufgaben im Oberhaus sehr ernst. Calebs Körper rebelliert inzwischen, und wir werden alle nicht jünger …« Sie klopfte mit einem Fingernagel auf den Brief. »Er ist bereits vor drei Monaten geschrieben. Und es dauert weitere drei Monate, bis ich wieder zu Hause bin.«
»Willst du auf der Stelle abreisen?« fragte Olivia bekümmert. Ein Angstschauer lief ihr über den Rücken. Wie sollte sie ohne die
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