Wer Liebe verspricht
Fragen.
Doch in der Einsamkeit ihres Zimmers überließ sich Olivia ihrem Zorn.
Nein, nicht nur mich trifft die Schuld an dieser Anwandlung von Wahnsinn!
Olivia lehnte sich dagegen auf, die unzumutbare Last allein zu tragen. Sie wollte nicht länger edel und vernünftig sein und immer nur verzeihen! Für ihre schreckliche Lage war Jai Raventhorne ebenso verantwortlich, ja, noch mehr als sie selbst. Er wußte, sie war unschuldig, ahnungslos und eine blinde Sklavin ihrer Gefühle. Er wußte, wie wenig sie verstanden hatte von seinen verschrobenen Gedanken und seinen völlig verdrehten Worten. Er wußte, daß sie seine rätselhaften Andeutungen, die verwirrenden Warnungen nicht einordnen konnte. Das alles war ihm kein Geheimnis. Er hatte in Rätseln gesprochen, zu denen sie unmöglich Antworten finden konnte. Gewiß, sie war ihm nachgelaufen, aber er ihr auch. Er wußte, sie war wie behext und in ihn vernarrt. Trotz allem hatte er sie gewähren lassen, und nur, um sie dann zu betrügen und zu verraten …
Olivia schob die verschwommene Erinnerung an das flüchtige, illusionäre Paradies ihrer Liebe von sich. Auch diese Erinnerungen würden sich bald in nichts auflösen. Aber es blieb die Entwürdigung ihres Lebens in allen Bereichen, und ihre Zukunft war zerstört. Nicht einmal das ungeborene Kind würde verschont bleiben, denn schon jetzt war es in die Täuschungen und die Vorspiegelung falscher Tatsachen hineinverwickelt. Jai Raventhorne hatte sie in einen Sumpf gestoßen. Je mehr Olivia darum kämpfte, sich zu befreien, desto tiefer versank sie darin. Ja, vielleicht hatte Jai Raventhorne sie in jener Nacht geliebt, aber das war nicht genug.
Es war nicht genug!
Vierzehntes Kapitel
Olivia konnte Freddie unmöglich lieben, aber sie versuchte, das wettzumachen, indem sie sich ihm voll und ganz widmete. Tag für Tag ließ sie sich tausend Dinge als Entschädigung für das einfallen, was er nie von ihr bekommen würde. Sie wollte so das ungeheure Mißverhältnis ausgleichen, das die mißliche Verbindung ihrer Leben kennzeichnete. Olivia öffnete das Haus seinen Freunden, und bald wurde ihre Küche als die beste in der ganzen Stadt gerühmt. Sie ließ geduldig Burra Khanas, Polospiele und Champagnerfrühstücke im Tolly Club über sich ergehen, verbrachte viele Stunden im Kreis der grauenhaft langweiligen Gesellschaft und hörte sich das alberne und oberflächliche Gerede an. Olivia ertrug mit Anstand Freddies Dummheiten, achtete auf sein Aussehen, leistete ihm freundlich Gesellschaft und beschwerte sich nie über seine absurden Gewohnheiten. Es kam so weit, daß sie alle eigenen Wünsche unterdrückte, denn der Lohn der Mühe war groß. Trotz ihrer ständigen Sorge hielt Freddie sein Wort. Seit dem spontanen Versprechen auf der Seagull trank er keinen Tropfen Alkohol mehr. Zwei Monate nach der Hochzeit halfen weder weite Röcke noch untaillierte Kleider, und Lady Birkhurst nahm ihre Schwangerschaft stillschweigend, aber offiziell zur Kenntnis. Die Nachricht verbreitete sich natürlich in Windeseile in der Stadt, und Freddie wurde unvermeidlich zur Zielscheibe anzüglicher Bemerkungen. Meist ließ er den Spott mit der üblichen Gutmütigkeit über sich ergehen, aber manchmal – nur manchmal – konnte Olivia sehen, daß er diese Situationen haßte. Einmal reagierte er auf eine besonders freche Anspielung ungewöhnlich heftig, und seine sonst so sanften Augen funkelten böse vor Zorn.
»Hört, hört, der Wurm löckt wider den Stachel!« rief Peter Barstow und hob spöttisch die Augenbrauen. »Was ist denn mit dir in letzter Zeit los, alter Junge? Du verlierst ja deinen Sinn für Humor.« Er warf Olivia einen herausfordernden Blick zu.
Armer Freddie!
Er sah an diesem Abend so unglücklich aus, daß Olivia ihn fragte:
»Sag es mir ehrlich, Freddie, bedauert du es doch, mich geheiratet zu haben?«
Er protestierte sofort: »Nein! Mein Gott, ein Mann bindet sich doch nicht an einem Tag fürs Leben und überlegt es sich am nächsten Tag anders! Glaubst du, ich bin so ein Schwächling? Der Teufel soll mich holen, ich liebe dich!«
Olivia seufzte. »Das weiß ich, liebster Freddie, und ich bin dir so dankbar …«
»Deine Dankbarkeit will ich nicht«, widersprach er trübsinnig und fügte plötzlich noch unglücklicher hinzu: »Ich will nur deine Liebe. Nicht viel«, sagte er schnell, »nur ein bißchen Liebe … nur ein ganz kleines bißchen.«
»Freddie, ich liebe dich auf meine Weise! Ich … schätze dich
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