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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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ja? Freddie wollte eigentlich ein großes Fest und eine Taufe in St. John, aber unter den jetzigen Umständen …«, sie beendete den Satz nicht, sondern machte nur eine hilflose Geste.
    »Aber natürlich, Liebes«, stimmte ihr Mrs.Donaldson ernst zu, »ein großes Fest wäre jetzt nicht angemessen.«
    Olivia hoffte, es werde die letzte Lüge sein, zu der sie gezwungen war, und atmete erleichtert auf. Wenn Indiens Küste erst hinter ihr lag, mußte sie nicht mehr zu billigen Täuschungsmanövern greifen.
    *
    Nach der schlichten Taufe gab Arthur Ransome Olivia die Post, die am Vormittag für Sir Joshua eingetroffen war. Es war ein Brief aus London, und er kam von Estelle!
    Künstlich in tiefen Schlaf versetzt (zum letzten Mal, wie Olivia sich geschworen hatte) und mit glatt geschorenem Köpfchen – eine vernünftige Maßnahme, um die Sicherheit ihres Sohnes unter den gegebenen Umständen nicht zu gefährden – wurde der Kleine offiziell auf den Namen Amos James Sean Birkhurst getauft, der neunte Anwärter auf den Titel eines Barons von Farrowsham. Im Haus der Templewoods waren nur sechs Zeugen anwesend: Sir Joshua, Arthur Ransome, die Donaldsons, Mary Ling und Olivia. Der puttenhafte Kaplan von St. John, der auch die Trauung durchgeführt hatte, war wieder zur Stelle. Nach der Taufe gab es für die Gäste Tee, für das Dienstpersonal in beiden Häusern Süßigkeiten und Geld. Dann war alles mühe- und schmerzlos vorüber.
    Olivia zuckte zusammen, als sie die verschnörkelte Handschrift auf dem braunen Umschlag sah. Diese Schrift war ihr zwar vertraut, aber sie hatte sie vergessen. Wie von Zauberhand schien die Uhr um ein Jahr zurückgedreht, und dabei verschwand die betäubende Wirkung, die die Zeit bewirkt hatte. Olivia fiel auf, daß Ransome den Umschlag geöffnet hatte. »Ich hielt es für klug, mir den Inhalt anzusehen«, erklärte er erregt, »für den Fall, daß das dumme Mädchen ihrem Vater noch einen Schock versetzen will.«
    »Und hat sie das?« Olivia gab ihm den Umschlag zurück, ohne den Brief zu lesen. Trotz aller Gleichgültigkeit fühlte sie sich unwillkürlich abgestoßen, denn inzwischen wußte sie ja mehr.
    »Sozusagen ja. Aber der Schock ist zur Abwechslung einmal nicht unerfreulich.« Er zog den Brief aus dem Umschlag und überflog ihn noch einmal. »Estelle ist in England … offenbar bereits seit einem halben Jahr. Vor drei Monaten, also bevor dieser Brief abgeschickt wurde, hat sie John Sturges geheiratet.« Er staunte noch immer.
    »John ist jetzt nach Cawnpore versetzt worden. Sie werden deshalb in Kürze in Kalkutta eintreffen.« Ungläubig ließ er sich in einen Sessel sinken und schluckte schnell ein paar Tabletten, auf die er in letzter Zeit nicht mehr verzichten konnte. Er sah Olivia fassungslos an. Dann blickte er wieder auf den Brief, als müsse er sich noch einmal davon überzeugen, daß er richtig gelesen habe. »Sie erwähnt alles andere … nicht. Kein einziges Wort! Vielleicht schreibt sie dir etwas ausführlicher, Olivia.« Er holte ein kleines geschlossenes Couvert aus dem Umschlag und reichte es ihr.
    »Ja, vielleicht.« Olivia schob den Brief ungelesen in ihre Handtasche. Sie wollte ihn später ungeöffnet verbrennen.
    Lady Bridget hatte Sir Joshua nicht geschrieben, aber ihre Cousine Maude. Ransome las den Brief sorgfältig, für den Fall, daß er eine Nachricht enthielt, die seinen Freund noch mehr erschüttern würde.
    »Maude schreibt, Bridgets religiöser Eifer hat nicht nachgelassen«, sagte er zu Olivia. »Sie liest stundenlang in der Bibel und betet den Rosenkranz. Offenbar denkt und redet sie nur über Sünden und Vergebung der Sünden. Aber Maude glaubt, Bridget wird ihren Frieden finden.« Ransome rieb sich nachdenklich und traurig das Kinn.
    »Maude schreibt nichts über Estelle, sondern nur, daß sie Estelle gesehen hat. Ich fürchte, es ist nicht alles eitel Sonnenschein, wie Estelle es uns und besonders ihrem Vater vormachen möchte.« Er musterte prüfend Olivias undurchdringliches Gesicht und fragte dann besorgt: »Bist du in der Lage, deine mißratene Cousine hier willkommen zu heißen, mein Kind?«
    »Warum denn nicht?« erwiderte Olivia trotzig. »Ob Mutter und Vater ihr nun vergeben haben oder nicht, wer bin ich, um ihr etwas nachzutragen? Mir hat sie nichts getan! Und wenn man es sich überlegt, ist Estelles Rückkehr nur von Vorteil. Ich werde bald abreisen, und dann kann sie als Tochter einige der Pflichten erfüllen, die sie so lange

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