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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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hassen.«
    Angesichts der mörderischen Konkurrenz in der Stadt war das einigermaßen verständlich. Weniger verständlich war, daß er, ein Nicht-Europäer, sich dafür entschied, in der Stadt der Weißen zu leben, noch dazu wenn er die Engländer so offen verachtete. »Und die anderen Gründe?«
    Estelle genoß es sichtlich, daß jemand sie plötzlich als Quelle nützlicher Informationen schätzte, und kam sich sehr wichtig vor. »Nun ja, Mrs.Drummond sagt, er pflanzt in Assam Tee an. Und das können wir nicht, verstehst du? Wir müssen unseren Tee den ganzen weiten Weg von China nach Indien und von hier nach England transportieren. Er verkauft seinen Tee in Amerika, und das liegt allen schwer im Magen.«
    Olivia faßte sich an den Kopf. Erzählte Estelle Märchen? Bis jetzt war es ihres Wissens noch niemandem in Indien gelungen, Tee so erfolgreich anzupflanzen, daß er ihn exportieren konnte. Dann fiel ihr etwas ein, und sie fragte: »Ist er der Mann, den man Kala  … oder so ähnlich nennt?«
    »Ja, Kala Kanta. « Estelle sah sie überrascht an. »Hat er dir das gesagt?«
    »Nein, natürlich nicht! Onkel Josh und Arthur Ransome haben neulich von ihm geredet.« Aber weshalb war ihre Tante ohnmächtig geworden, wenn die Männer offen über ihn sprechen konnten? »Was bedeutet Kala Kanta in Hindustani?«
    »Also, Kala heißt schwarz, und Kanta ist ein Dorn. Verstehst du: Schwarz wie ein Rabe, und weil er ein Dorn im Fleisch der …«
    »Ich verstehe, was du meinst, Estelle«, unterbrach Olivia sie ungeduldig, »ich weiß jetzt, daß der Mann ein Schurke ist, und daß alle ihn hassen. Aber ich verstehe nicht, weshalb Tante Bridget bei der Erwähnung seines Namens in Ohnmacht gefallen ist! Gibt es einen Grund dafür?«
    Estelle kicherte. »Niemand versteht, was in Mamas Kopf vorgeht – ich jedenfalls nicht. Denk daran, wie sie sich immer wegen Polly Drummond und ihrer Mutter anstellt. Ich meine, was ist falsch daran, mit Herren befreundet zu sein, wenn man Witwe ist? Und weshalb sollte Polly keine Schminke benutzen und Spitzenunterwäsche tragen, wenn ihre Mutter es erlaubt? Clive Smithers sagt – zumindest hat Charlotte mir das erzählt –, er hat sie sogar einmal geküßt, als …«
    »Die Engländer hassen diesen Mann und machen trotzdem Geschäfte mit ihm?« Olivia unterbrach ihre Cousine energisch. Im Augenblick hatte sie keine Lust, sich Estelles vertraute Litanei anzuhören. »Ist das nicht merkwürdig?«
    Mühsam schob ihre Cousine die Gedanken an Probleme beiseite, die sie für sehr viel wichtiger hielt. »Sie müssen …« Estelle seufzte und tröstete sich mit dem letzten Plätzchen in der Dose. »Seine Klipper sind so schnell, daß die Laderäume immer voll sind. Und er hat große Lagerhäuser, die andere Firmen mieten, um Tee, Indigo und alles mögliche einzulagern. Sie können es sich nicht leisten, Kala Kanta zu ignorieren.«
    »Aber wenn er ein Geschäftsmann ist, und sei es auch ein unbeliebter, weshalb sieht man ihn dann niemals bei Burra Khanas? Er wird doch sicher eingeladen?«
    »Oh, er wird eingeladen«, sagte Estelle mit einem Auflachen und einem durchtriebenen Blitzen ihrer Augen, die plötzlich wieder sehr munter wirkten. » Er hat erklärt, er werde eher sterben, als sich in einem englischen Salon sehen zu lassen. Aber jeder weiß, daß es nicht eine pukka Mem gibt, die nicht ihre beste Perücke und ihr Korsett für die Gunst von J … also die Gunst dieses Mannes, geben würde. Polly sagt, er hat eine Mätresse, eine Eingeborene, die mit ihm in seinem Haus lebt. Und Dave Crichton hat Mrs.Drummond gesagt, er hat Beweise dafür, daß Barnabus Slocums Schwester aus Brighton, die letztes Jahr eine Woche lang verschwunden war, sieben Tage und sieben Nächte mit ihm verbracht hat – nicht mit Dave, sondern mit dem Mann, von dem wir sprechen. Die Slocums haben allen erzählt, sie sei in die Berge gefahren. Aber das war eine Lüge …« Estelle holte tief Luft und lächelte triumphierend.
    Der ungewollte Schwall von Klatsch, der sich über Olivia ergoß, war im Augenblick zuviel. Sie sah ihre Cousine streng an. »Wenn man bedenkt, daß es in diesem Haus nicht einmal erlaubt ist, seinen Namen auszusprechen«, bemerkte sie trocken, »scheinst du trotzdem recht gut über diesen Mann unterrichtet zu sein!«
    Estelle warf den Kopf zurück und zog einen Schmollmund. » Du stirbst doch vor Neugier. Ich wiederhole nur, was ich weiß, was jeder weiß. Ihm ist es völlig gleichgültig, was wer

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