Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
Vom Netzwerk:
über ihn sagt. Warum sollte es dich dann kümmern?«
    »Mich kümmert es nicht! Und um das klarzustellen: Ich sterbe nicht vor Neugier, etwas über diesen Mr.Raventhorne zu erfahren, von dem soviel geredet wird. Ich versuche nur herauszufinden, wieso ich Tante Bridget so aus der Fassung gebracht habe.« Sie runzelte die Stirn und kaute auf der Unterlippe. »Aber eigentlich habe ich das gar nicht, oder?«
    »Und du wirst sie auch nie aus der Fassung bringen, das verspreche ich dir.« Estelle unterdrückte ein Gähnen und blickte bedauernd in die leere Gebäckdose. »An deiner Stelle würde ich das alles vergessen. Mama ist und bleibt unberechenbar. Es ist sinnlos, herausfinden zu wollen, was wirklich in ihr vorgeht. Und außerdem«, sie öffnete den Mund und gähnte noch einmal nachdrücklich, »ist es unwahrscheinlich, daß du ihm noch einmal begegnest, oder?« Sie deckte sich zu und zog das Moskitonetz herunter.
    Olivias Hand lag auf der Türklinke. »Ja«, sagte sie langsam. »Es ist unwahrscheinlich, daß ich ihm noch einmal begegne.«
    Unerklärlicherweise empfand sie darüber ein leises Bedauern.
    *
    Was die Zukunft auch bringen mochte, Olivia hatte das Gefühl, daß sie sich in irgendeiner Form bei ihrer Tante entschuldigen mußte. Am nächsten Morgen – Sir Joshua hatte früher als üblich das Haus verlassen – fand sie Lady Bridget allein im Schlafzimmer. Sie trank gerade Tee.
    »Was gestern abend geschehen ist, tut mir schrecklich leid, Tante Bridget«, begann sie ohne weitere Vorrede, nachdem sie einen Morgenkuß auf die dargebotene kühle Wange gedrückt hatte. »Wenn ich dich irgendwie verletzt oder gekränkt habe, so lag das bestimmt nicht in meiner Absicht.«
    Lady Bridgets Tasse klapperte kurz, weil ihre Hand zitterte. Sie hob den Blick nicht, um ihre Nichte anzusehen. »Du kannst nichts dafür, mein Kind. Das weiß ich. Es ist nichts …«, sie schluckte, »nichts, weshalb du dir Sorgen machen mußt. Aber du …, du hast ein Recht auf eine Erklärung. Josh wird später mit dir darüber sprechen. Ich … wir wollen die Angelegenheit als erledigt betrachten …« Die Stimme versagte ihr, und sie wandte sich sichtlich erregt ab.
    Im Augenblick gab es nichts mehr zu sagen. Das Thema wurde auch im Laufe des Tages nicht mehr angeschnitten.
    Es war zu früh, um Post von ihrem Vater zu erwarten. Doch Olivia hatte sich angewöhnt, ihm beinahe täglich zu schreiben. Sie schrieb auch regelmäßig an Sally und ihre Söhne, außerdem an alle Freunde, die sie zurückgelassen hatte, und an die unverheiratete Schwester ihres Vaters in Dublin. Sie war die einzige überlebende Verwandte, die ihm noch nahestand. Einerseits wartete Olivia ungeduldig auf das Eintreffen der Postschiffe von zu Hause und aus Honolulu, andererseits fand sie die erzwungene Disziplin jedoch heilsam, denn sie linderte das Heimweh. Normalerweise war Briefeschreiben ein Vergnügen, aber an diesem Morgen konnte sie sich einfach nicht konzentrieren. Ihre Gedanken kehrten immer wieder zu Jai Raventhorne zurück, anstatt sich auf das zu richten, womit sie sich beschäftigen sollten.
    Rückblickend war es weniger der Mann als eine Atmosphäre des nicht Greifbaren, nicht Definierbaren, die Olivia nicht losließ, weil sie mit ihm in Zusammenhang stand. Eine seltsam unstete, beinahe explosive Kraft schien von diesem Mann auszugehen. Sie hatte die Luft auf den Stufen am Fluß mit Spannung geladen. Und hinter seinen gelegentlichen Unverschämtheiten war eine Feindseligkeit deutlich geworden, die Olivia verwirrte. Sein schlechter Ruf berührte sie kaum. Unter den Freunden ihres Vaters gab es mindestens zwei, die mehr als ein Sheriff mit Freuden als Verbrecher eingesperrt hätte, und in Washington blieben ihrem Vater wegen seiner freien und offen geäußerten politischen Ansichten viele Häuser verschlossen. Jai Raventhorne faszinierte sie, denn auch in Amerika hatte Olivia noch keinen Mann getroffen, der in einem so krassen Gegensatz zur ihn umgebenden Gesellschaft stand.
    Als Sir Joshua sie schließlich nach dem Abendessen, das in einer Atmosphäre spürbarer Verlegenheit verlief, zu sich bitten ließ, wartete Olivia bereits gespannt auf das Gespräch. Wie üblich saß ihr Onkel an seinem riesigen, mit Akten und Papieren übersäten Mahagonischreibtisch, trank seinen geliebten Portwein und rauchte eine Zigarre. Er hatte sich umgezogen und trug nun einen blauseidenen Morgenmantel und Hausschuhe. Selbst in dieser gelösten Atmosphäre und der

Weitere Kostenlose Bücher