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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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kleinen Launen und Übertreibungen sein, nicht wahr?«
    Olivia wußte, ihr Onkel log, trotz aller scheinbaren Offenheit und der gutmütigen Nachsicht auf die ›Launen und Übertreibungen‹ seiner Frau. Einen Augenblick lang fühlte sie sich hin und her gerissen zwischen taktischem Rückzug (der klug wäre) und einem kühnen Vorstoß (der unklug wäre), entschied sich schließlich aber doch für letzteren. »Dieser Mr.Raventhorne«, sie reckte entschlossen das Kinn, während sie furchtlos den verbotenen Namen aussprach, »wer ist er eigentlich, und was tut er?«
    »Er ist im Teegeschäft.« Die knappe Antwort verriet deutlich genug, daß er nicht über dieses Thema sprechen wollte.
    »Im Chinahandel?«
    »Er pflanzt eigenen Tee an.«
    Estelles Klatschgeschichten waren also nicht völlig falsch! Olivia übersah geflissentlich das deutliche Mißfallen ihres Onkels, gab sich ganz unschuldig und bohrte weiter. »So? Aber hast du mir nicht gesagt, daß europäische Teepflanzer in Assam ernste Probleme mit den Arbeitskräften haben, und daß es Jahre dauert, bis chinesischer Tee hier im Land kommerziell erfolgreich angebaut werden kann?«
    »Er fällt nicht in die Kategorie ›europäische Pflanzer‹.« Sir Joshua unterdrückte nur mit Mühe seinen Ärger. »Er pflanzt indischen Tee an, keinen chinesischen.«
    Diesmal mußte sie die Überraschung nicht spielen. »Indischen Tee? Ich hatte keine Ahnung, daß Teesträucher auch in Indien heimisch sind!«
    »In Assam wächst seit Jahrhunderten Tee«, sagte er ungeduldig, beugte sich vor und legte die Hand auf die Schreibtischplatte. »Aber das spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Ich habe das Thema Raventhorne zur Sprache gebracht«, er verzog angewidert den Mund, »weil ich glaube, du hast das Recht auf eine Erklärung für Tante Bridgets melodramatisches Verhalten gestern abend. Ich konnte sehen, daß du dich zu Tode geängstigt hast.« Er lächelte flüchtig. »Und deshalb war eine Entschuldigung meinerseits angebracht. Nimmst du sie an, Liebes, und vergibst uns, daß wir dich so erschreckt haben?« Olivia blieb keine andere Wahl, als zustimmend zu nicken, auch wenn es ihr widerstrebte. »Wollen wir in diesem Fall die ganze unglückselige Angelegenheit als erledigt betrachten?«
    Die Angelegenheit als erledigt betrachten … das waren auch die Worte ihrer Tante gewesen! Was war es nur, das diesen Mann zum Paria machte? Jetzt gab es keine Gelegenheit mehr, weitere Fragen zu stellen. »Ja natürlich«, murmelte sie und verbarg ihre Enttäuschung.
    »Sag mir …« Plötzlich lächelte Sir Joshua wieder breit. »Bist du wirklich glücklich bei uns?«
    Der plötzliche Wechsel des Themas verblüffte Olivia. »Aber natürlich!« rief sie und errötete dabei. »Mußt du das überhaupt noch fragen, Onkel Josh.«
    »Ja, denn manchmal habe ich den Eindruck, du bist nicht glücklich. Das Leben hier ist nicht ganz so, wie du es dir wünschst.«
    Seine Bemerkung erschreckte Olivia, und sie widersprach schnell.
    »Ich versichere dir, abgesehen davon, daß Papa mir fehlt, bin ich absolut zufrieden. Wie könnte es anders sein, bei eurer Güte und Großzügigkeit?«
    Er nickte geistesabwesend. »Ja, ich muß sagen, du hast dich bemerkenswert gut eingelebt, wenn man bedenkt, wie anders es bei dir zu Hause gewesen sein muß. Nun ja, Bridget und ich, wir freuen uns, dich bei uns zu haben, und Estelle bewundert dich maßlos.« Er wischte mit einer schnellen Bewegung Zigarrenasche von seinem Revers und seufzte. »Weißt du, wir haben sie zu sehr verwöhnt. Offen gesagt, wir haben sie so spät bekommen, daß keiner von uns beiden genau weiß, wie man mit ihr umgehen muß. Wir neigen manchmal zu übergroßer Fürsorge, aber das ist nur gut gemeint.«
    »Estelle ist noch nicht achtzehn«, erwiderte Olivia rasch. »Sie wird schon noch erwachsen werden, aber …« Sie nutzte die plötzliche weiche Stimmung und wagte, ein Thema anzuschneiden, das ihr seit einiger Zeit durch den Kopf ging. »Ich meine, vielleicht könntet ihr, du und Tante Bridget, Estelle etwas mehr, nun ja, Unabhängigkeit in ihren eigenen Angelegenheiten geben?«
    »Unabhängigkeit?« Sir Joshua wirkte überrascht. »Bridget sagt, der kleine Wildfang ist schon viel zu unabhängig!« Er lachte leise. »Ich weiß, sie macht ihrer Mutter hin und wieder das Leben schwer. Aber das ist das Vorrecht einer Tochter, zumindest sagt man das. Wie auch immer, das fällt alles in Bridgets Bereich. Sprich gelegentlich mit ihr darüber.«

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