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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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Benommenheit staunte sie über eine Belanglosigkeit – wer hätte gedacht, daß Kala Kanta selbst so augenscheinliche europäische Frivolitäten wie das Tanzen beherrschte? Olivia hatte nicht mehr die Kraft, sich zu wehren, und überließ sich dem Unvermeidlichen. Sie schloß kurz die Augen. In ihrem Kopf drehte sich alles. Die Füße, die sich unfreiwillig im Rhythmus des klopfenden Blutes in ihren Schläfen bewegten, schienen einen eigenen Willen zu haben. Mit geschlossenen Lidern kämpfte sie verzweifelt darum, ihre Kontrolle zurückzugewinnen, und als sie die Augen aufschlug, atmete sie wieder gleichmäßig. Ihre Augen befanden sich in gleicher Höhe mit dem gebräunten Hals, den sie so oft geküßt hatte, daß sie den Geschmack beinahe auf der Zunge spürte. Aber sie konzentrierte sich energisch auf die seidene Schleife und die muschelförmigen Knöpfe aus massivem Gold seines Fracks. Aber es gelang ihr nicht, den irritierend sinnlichen Duft seiner Haut zu ignorieren. Er war ihr so vertraut, daß sie glaubte, in Ohnmacht zu sinken. Sie stolperte.
    »Mein Fehler«, murmelte er, und die metallisch harten Augen straften die höfliche Floskel Lügen. »Aber wenn dir die Musik zu schnell ist, können wir aufhören zu tanzen. Das wäre mir sehr lieb. Der Etikette ist deinen Gästen zuliebe Genüge getan.«
    Unter Aufbringung ihrer ganzen Tapferkeit schüttelte Olivia stumm den Kopf. Sie wollte ihm diesen kleinen Sieg nicht gönnen. Überall hatten sich prüfende Augen auf sie gerichtet, es wurde getuschelt und geflüstert. Münder warteten gespannt auf einen Anlaß zu boshaften Bemerkungen. Estelle stand wachsam in einer Ecke und ließ sie nicht aus den Augen. Der giftige, gehässige und völlig sinnlose Streit mit Jai Raventhorne hatte Olivias angetrunkenen Mut unterhöhlt, und das erneute Unrecht, das er ihr angetan hatte, machte sie schwach. Es erschien ihr grotesk und unfaßbar, daß sie tanzten, freundlich lächelten und zu Walzerklängen über etwas sprachen, das so viele Leben zerstört hatte. Und jeden Augenblick konnte er das eine Thema anschneiden, das sie mehr als alles andere fürchtete: Amos! Ihre Finger klammerten sich um seine Schultern. »Warum, warum um alles in der Welt«, flüsterte sie heftig, »hast du dich entschlossen, heute abend hierher zu kommen, Jai …?«
    »Ich habe dir bereits zwei Gründe genannt. Ich werde dir einen dritten nennen.« Er hatte seinen Zorn überwunden und sprach wieder normal in einem Tonfall, in dem er ihr ohne weiteres ein Kompliment über den bezaubernden Blumenschmuck hätte machen können.
    »Durch die Heirat hast du deinem Freddie erlaubt, sich etwas zu nehmen, von dem ich dachte, es gehöre mir.« Er lächelte höflich.
    »Für diesen Diebstahl schulden mir die Birkhursts zumindest einen Drink als Wiedergutmachung.« Der Tanz war zu Ende, das Orchester machte eine Pause. Jai Raventhorne trat zurück und verneigte sich.
    Amos!
    Die Panik erfaßte Olivia wieder und machte sie blind für jede andere Interpretation seiner unverfrorenen Bemerkung. Mit sicherem Instinkt hatte er sie durchschaut und wußte nun über Amos Bescheid. Er konnte ihr jeden Augenblick seine Absicht kundtun, ihn für sich zu verlangen, ihn ihr wegzunehmen! Er war natürlich in Kirtinagar gewesen und hatte Amos gesehen … Die wildesten Vermutungen schossen Olivia durch den Kopf, und namenloses Entsetzen packte sie. Mit bleichem Gesicht stand sie wie gelähmt vor ihm auf der Tanzfläche, die sich schnell leerte.
    Er sprach weiter, immer noch liebenswürdig lächelnd und in höflichem Ton. »Du bist eine Hure, Olivia. Ich hätte es früher begreifen müssen.« Er nahm ihre Hand und streifte sie flüchtig mit eiskalten Lippen. »Wir werden uns nicht wiedersehen. Als Frau eines Engländers und als Mutter eines Birkhurst stößt du mich ab.« Bei diesen Sätzen schwand sein Lächeln nicht. Auch seine Stimme klang unverändert ruhig.
    Als Mutter eines Birkhurst!
    Olivia glaubte, ihre Brust werde zerspringen, als der Atem in ihre Lungen schoß, und sie rang nach Luft. Alles verschwamm ihr plötzlich vor den Augen, und es gelang ihr nur mit Mühe, ruhig stehen zu bleiben. Aber mit der Erleichterung kehrte auch das Blut in die Wangen zurück, und ihre Augen leuchteten wieder mit einer Lebhaftigkeit, die sie nicht länger vortäuschen mußte. Sie lachte leise, als sie die Tanzfläche verließen. »Oh, es wird bald zwei Birkhursts geben«, erwiderte sie leise, aber deutlich genug, daß er es hörte.

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