Wer Liebe verspricht
einer herrischen Geste John Sturges, der hinter ihm stand und schrecklich verlegen wirkte. Dann streifte er mit derselben Konzentration nacheinander die Handschuhe ab und schob sie zusammengelegt in die Taschen des Überziehers, den er im Augenblick noch nicht ablegen wollte. Diese genau bemessenen kleinen Gesten, das ruhige Gesicht, die erstaunlich sicheren Hände, das imponierende, unerschütterliche Selbstbewußtsein – all das verblüffte jeden, der ihn in den vergangenen Monaten erlebt hatte.
Nachdem er diese kleinen Pflichten erledigt hatte, ging Sir Joshua auf Olivia zu, die inzwischen wie angewurzelt neben Arthur Ransome stand. Er blickte weder nach rechts noch nach links, sondern durchquerte gelassen den Raum, als sei er allein, als seien die Menschen auf beiden Seiten, die ihn anstarrten, nicht vorhanden. Sir Joshua ging ohne Eile mit abgemessenen Schritten, und er wirkte völlig ruhig. Aus dem einfachen Grund, daß etwas in seinen Augen es verbot, wagte niemand, ihn zu begrüßen. Er blieb vor Olivia stehen, breitete die Arme aus und legte ihr die Hände auf die Schultern. Er lächelte und küßte sie herzlich auf beide Wangen. »Entschuldige bitte, daß ich dich überrascht habe, mein Kind, aber Estelle hat darauf bestanden, daß ich mich hier sehen lasse.« Er nickte anerkennend. »Du siehst bezaubernd aus in diesem Blau, Olivia, wirklich hinreißend.«
Olivia gelang es irgendwie, etwas zu sagen. »Ich … ich freue mich, daß du doch noch gekommen bist, Onkel Josh. Wir …« Ihre Stimme zitterte, erstarb, und ihre erschrockenen Augen wanderten hilflos zwischen Arthur Ransome und Jai Raventhorne hin und her, der immer noch unbeweglich und ausdruckslos in seiner Nähe stand. Sir Joshua schüttelte förmlich Ransomes Hand. Sie sagten beide nichts, zumindest nicht in Worten. Was zwischen ihnen vorging, konnte man nur ahnen. Ransomes Gesicht, so versteinert wie Raventhornes, verriet nichts. Nachdem die Begrüßungsformalitäten erledigt waren, wandte sich Sir Joshua ab und ging geradewegs auf Jai Raventhorne zu. Er streckte die rechte Hand aus.
»Guten Abend, Jai.«
»Guten Abend, Sir Joshua.«
Die Stille vertiefte sich noch und umgab alle wie ein undurchdringlicher Nebel. Keiner der Anwesenden konnte sich erinnern, die beiden Männer einmal zusammen gesehen zu haben – zumindest nicht in der Öffentlichkeit.
Die Wirkung der Konfrontation war elektrisierend. Nichts schien sich an Jai Raventhorne zu bewegen. Er schien nicht einmal zu atmen. Nur ein kleiner Muskel unter der rechten Schläfe zuckte. Die blassen, großen Augen waren so ausdruckslos, als sähen sie nichts. Er blickte weder auf die dargebotene Hand noch machte er den geringsten Ansatz, sie zu ergreifen. Ein paar erschreckend lange Sekunden hielt Sir Joshua die Hand ausgestreckt, aber sie wurde nicht zur Kenntnis genommen und zurückgewiesen. Erst als Sir Joshua sie mit einem gleichgültigen Schulterzucken und ohne sichtlichen Verlust seines Selbstbewußtseins sinken ließ, sagte Raventhorne ebenso gepreßt wie zuvor, aber ruhig: »Ich glaube, Sie wissen sehr gut, Sir Joshua, daß das, was zwischen uns liegt, nicht mit einem Händedruck wiedergutgemacht werden kann.«
Sir Joshua schien stirnrunzelnd darüber nachzudenken. Dann nickte er. »Nein, das kann es nicht«, sagte er leise, »jetzt nicht mehr. Besonders jetzt nicht mehr, aber Estelle will das nicht einsehen.«
Hätte Olivia nicht so nahe bei ihrem Onkel gestanden, wäre ihr das leise, beinahe geflüsterte Gespräch entgangen. Etwas zuckte schließlich in Raventhornes leblosen Augen – ein Funken Belustigung, ein Anflug von Verachtung. Aus den Augenwinkeln sah sie Estelle zurückweichen und nervös nach der Hand ihres Mannes greifen. Sir Joshuas lässiges, beinahe freundliches Verhalten veränderte sich und wurde plötzlich energisch. Er zog einen Handschuh aus der Tasche seines Überziehers, den er noch immer trug, und schlug Raventhorne damit schnell ins Gesicht.
»Morgen am Ochterlony-Turm – pünktlich um sechs. Ransome und Sturges werden meine Sekundanten sein. Wählen Sie die Waffen!«
In der erstarrten Menge hörte man ein vielstimmiges – zweifellos freudiges – Aufatmen. Kalkutta hatte schon lange kein so spannendes Duell mehr erlebt. Spannend? Dieses Duell versprach eine Sensation zu werden! Estelle verließ plötzlich den Platz neben ihrem Mann und rannte zu ihrem Vater. Sie klammerte sich an ihn. » Nein! Papa, du hast mir geschworen, daß du mir
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