Wer Liebe verspricht
glaubst!« flüsterte sie erregt und hielt ihn mit zitternden Händen an seinem Revers fest. Ihre Augen waren angstvoll aufgerissen. »Du hast mir geschworen, du hast mir dein Wort gegeben …!«
»Bring sie weg, John.« Abgesehen von einem kurzen Blick und der kleinen Mühe, sich von ihr zu befreien, achtete Sir Joshua kaum auf seine Tochter.
»Aber Sir …!« Der schockierte Schwiegersohn bewegte sich nicht, denn er wußte nicht, wie ernst der Befehl seines Schwiegervaters gemeint war.
»Bring sie weg, John!« Sir Joshua hob nicht die Stimme, aber seine Augen funkelten, und seine Stimme klang gebieterisch. Mit dem geübten Reflex des Soldaten, der unbedingten Gehorsam gewohnt ist, nahm John seine Frau bei den Armen.
Estelle wehrte sich heftig und brach in Tränen aus. »Du hast mich belogen, Papa! Du hast mich belogen! Du weißt, ich habe die Wahrheit gesagt, du weißt, ich könnte mir das nie ausdenken …«
»Sei still, Estelle!« unterbrach sie John energisch, »tu, was dein Vater sagt.«
Estelle wandte sich mit tränenüberströmtem verzweifeltem Gesicht an Olivia. »Laß es nicht zu, Olivia. Er darf nicht …« Der Rest ging in heftigem Schluchzen unter. Dann führte John, dem das Ganze schrecklich peinlich war, sie eilig zur nächsten Tür.
Niemand wagte dazwischenzutreten. Die erschrockenen und faszinierten Zuschauer hatten zwar kaum etwas von Estelles wirrem Gerede verstanden, mit dem sie ihren Vater bestürmt hatte, aber sie begriffen, daß sich hier ein erregendes Drama abspielte, und keiner wollte auch nur das Geringste davon verpassen. Im Saal herrschte eine Spannung, die wie Wasser in einem bewegten Behälter hin und her, auf und ab, gegen Wände und Decke schwappt. Raventhorne war während Estelles erzwungenem Abgang völlig ruhig geblieben. Jetzt richtete sich die Aufmerksamkeit wieder auf ihn, und er mußte auf Sir Joshuas Herausforderung antworten. Raventhorne drehte sich gelassen um und ging zum Kamin. Er legte einen Arm auf den Kaminsims, kreuzte die Füße und blickte in dieser bewußt überheblichen Haltung auf Sir Joshua. Die harten, nach unten gezogenen Lippen öffneten sich dreist, aber er gab nicht einmal vor, zu lächeln.
»Nein.«
Das Wort klang sanft, beinahe freundlich. Sir Joshua richtete sich auf. »Sie weigern sich, mir Genugtuung zu verschaffen, Sir?«
»Ganz richtig!« Und er schien leise, fast unhörbar zu lachen. »Das ist, wie Sie sich vielleicht erinnern werden, Sir Joshua, schon immer das einzige Ziel meines Lebens gewesen.«
Niemand wagte sich zu rühren. Sir Joshuas funkelnde braune Augen wurden zu schmalen Schlitzen, ohne eine Reaktion auf den offenen Hohn erkennen zu lassen. Mit einem Schulterzucken holte er gelassen aus der Tasche seines Überziehers etwas, das in blauen Samt gehüllt war. »Also gut, dann können wir die Angelegenheit auch hier erledigen. Genug Zeugen sind anwesend.« Er legte schnell den Überzieher ab, warf ihn Ransome zu, der ihn auffing, und entfernte den blauen Samt.
Raventhorne beobachtete ihn wachsam, ohne seine Stellung zu ändern. »Hier?«
»Warum nicht? Dieser Platz ist ebenso gut wie jeder andere, finden Sie nicht auch?«
Die wachsamen, schiefergrauen Augen sahen gespannt zu, wie Sir Joshua geschickt und mit liebevoller Sorgfalt seine Kostbarkeit enthüllte. Dann hielt er in jeder Hand einen der beiden schimmernden Colts. Er legte sich das Samttuch nachlässig über die Schulter und schien zu lächeln. Raventhorne sagte: »Üblicherweise komme ich nicht zu einem Bankett und bin für ein Duell ausgerüstet, Sir Joshua. Hätte man mir etwas davon gesagt«, er verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und verschränkte die Finger, »dann hätte ich mich bestimmt etwas sorgfältiger gekleidet.«
Sir Joshua reagierte nicht auf den Spott, sondern nickte nur. »Oh, das weiß ich. Deshalb habe ich für uns beide gesorgt.« Er beugte das Knie und ließ einen Revolver über den Teppich gleiten. Er sauste wie ein gut gezieltes Geschoß bis kurz vor die Spitze von Raventhornes schwarzem Lackschuh. »Sie können sich davon überzeugen oder einen Sekundanten Ihrer Wahl damit beauftragen, daß alle Kammern geladen sind und der Colt schußbereit ist. Wenn Sie wollen, können Sie ihn auch ausprobieren.«
Wie bei einem Erdbeben geriet alles im Saal in Bewegung. Erregtes Flüstern und Murmeln lag in der Luft, als seien Bienenschwärme eingefallen. In einer Ecke drängten sich angstvoll mehrere Damen zusammen, preßten zierlich
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