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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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bereit ist, dich zu nehmen.‹« Estelle wurde bei der Erinnerung blaß, und ihre Haut schien plötzlich aschgrau zu werden. »Ich habe nicht begriffen, was er damit meinte. Damals noch nicht …«
    »Ach, jetzt verstehe ich.« Olivia war immer noch mißtrauisch und suchte Zuflucht in Sarkasmus. »Deshalb die plötzliche Zuneigung? Die glühenden Schilderungen seines guten Charakters? Ganz zu schweigen von der unverschämten Einladung in mein Haus!«
    Estelle lachte – es klang gequält und traurig. »Oh, Olivia – meine arme, liebe, mißbrauchte Cousine! Ich hätte nie geglaubt, ich würde einmal den Tag erleben, an dem du, die du mir so unendlich überlegen bist, eifersüchtig sein würdest. Nein, bitte, reg dich nicht wieder auf, ich bin noch nicht ganz zu Ende.« Amos weinte. Ohne auf Olivias böse Miene zu achten, ging Estelle zum Bettchen und gab ihm seine Silberrassel. Dann trat sie zum Fenster und blickte hinaus. »Ich war natürlich wütend auf ihn, von seiner Kälte entsetzt und tödlich beleidigt. Ich versuchte, mit ihm zu rechten, versuchte zu kämpfen, forderte Erklärungen, aber er hörte mir nicht zu und gab mir auch keine Antworten. Er schloß mich in der Kabine ein und schwor, ich würde dort bleiben, bis wir in Southampton angelegt hätten.« Estelle sah Olivia mit versteinertem Gesicht an. »Ich war tagelang eingesperrt, kochte vor Wut, schrie und tobte. Ich verstand seine sadistischen Motive nicht und begriff nicht, weshalb er mich so demütigte. Als wir Kapstadt erreichten, lenkte er plötzlich ein und schloß die Kabine auf.« Sie schenkte sich aus der Karaffe ein Glas Wasser ein und trank. Dann fuhr sie langsam und in Gedanken versunken mit dem Finger über den Rand des Glases. »In Kapstadt«, fuhr sie tonlos fort, »sagte Jai mir die Wahrheit. Er sagte alles. Ich weiß jetzt, daß er mir nichts verschwiegen hat. Ich habe Onkel Arthur gebeten, es mir zu bestätigen. Und das hat er getan.« Estelles Hände zitterten plötzlich so sehr, daß das Glas beinahe zu Boden fiel und sie es schnell auf den Tisch stellte.
    Estelle weiß es also auch!
    Warum aber hatte das unbesonnene, dumme Ding dann riskiert, daß Raventhorne und ihr Vater sich auf dem Ball begegneten? Olivia holte tief Luft und beschloß zu schweigen. Es war noch nicht alles gesagt, und Estelle war entschlossen, auch das zur Sprache zu bringen.
    »Ich hatte keine Ahnung, weshalb Jai mir plötzlich die Wahrheit gestand. Vielleicht nur, um meine Qualen noch zu verdoppeln. Ich war entsetzt, Olivia, am Boden zerstört – ich konnte es nicht glauben !« Sie begann leise zu weinen. »Später erinnerte ich mich allmählich – Einzelheiten aus der Vergangenheit, Bruchstücke von Gesprächen, verstohlenes Flüstern zwischen Mama und Papa, heftige Auseinandersetzungen hinter verschlossenen Türen. Dann fiel mir noch etwas ein: das Bild von Großmama in unserem Eßzimmer. Plötzlich fügte sich alles zusammen. Ich staunte, daß es mir noch nicht aufgefallen war. Großmutters Augen hatten mich mein ganzes Leben lang angestarrt, Olivia.« Estelles runde Augen wurden wieder groß vor Entsetzen. »Amos’ Augen, Jais Augen …«
    Estelle verstummte. Wie ein dichter Nebel senkte sich das Schweigen über das Zimmer – eisig und erstickend. Amos ließ plötzlich die Rassel fallen, und sie schraken beide zusammen.
    Olivia stand mechanisch auf, nahm die Rassel und gab sie dem Kleinen zurück. »Ja«, sagte sie ruhig und unterbrach das Schweigen, »ich kenne die Wahrheit. Ich weiß, daß Onkel Josh Jai Raventhornes Vater ist.«
    Es war ausgesprochen. Zum ersten Mal war das Geheimnis, das sich hinter dem Rätsel verbarg, offen ausgesprochen worden. Olivia kannte die Wahrheit zwar schon seit einiger Zeit, aber als sie es jetzt aussprach, lief ihr ein Schauer über den Rücken, und sie zitterte.
    Estelle schlug mit einem erstickten Schrei die Hände vor das Gesicht. »Du bist klug und viel zu scharfsinnig, um es nicht erraten zu haben, Olivia, aber mich traf Jais Enthüllung wie ein Blitzschlag. Ich konnte es nicht fassen, daß so etwas Schreckliches wahr sein sollte!«
    Estelle überließ sich den schmerzlichen und unbewältigenden Gefühlen und wurde von heftigem, stummem Schluchzen geschüttelt. Olivia sah Estelle an, und zum ersten Mal wurde sie unsicher.
    Kann es sein, daß ihre absurden Märchen wahr sind …?
    Estelle wischte sich die Augen und putzte sich laut die Nase. Sie sah so rot wie ein gekochter Hummer aus. Estelle kämpfte mühsam

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