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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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gekreuzten Beinen auf dem Boden, hielt die kleine, silberne Schüssel in der Hand und fütterte Amos.
    Estelle? Estelle  …! Im ersten Augenblick glaubte Olivia, es sei eine Halluzination. Estelle war doch unterwegs nach Cawnpore! Bestimmt spielte ihr die überreizte Phantasie nur einen Streich!
    Aber Estelle bestätigte, daß sie wahrhaftig vor ihr saß, indem sie sagte: »Du wirst es nicht glauben, der kleine Wicht hat mich gebissen ! Wie ist es möglich, daß ein winziger Zahn so stark sein kann, daß Blut fließt?« Sie lachte.
    Das Lachen wirkte auf Olivia wie eiskaltes Wasser und brachte sie schlagartig in die Wirklichkeit zurück. Die Knie wurden ihr weich, und sie klammerte sich zitternd an den Türrahmen. »Was machst du hier …?« flüsterte sie totenblaß.
    »Ich wollte dich besuchen«, erwiderte Estelle ohne jede Spur von Verlegenheit. »Ich habe unten gewartet, als Amos anfing zu weinen. Ich ahnte ja nicht, daß er hier ist. Also bin ich nach oben gelaufen, um ihn zu sehen. Mary wollte ihn füttern, aber ich habe mich angeboten, das zu übernehmen, und habe sie und die Aja weggeschickt, damit sie in Ruhe essen können.« Sie sah Olivia leicht vorwurfsvoll an. »Ich habe John überredet, länger zu bleiben, damit ich dich noch einmal sehen kann.« Sie kitzelte Amos unter dem Kinn, und er krähte vor Wonne.
    »Geh …« Olivia sah sie müde an, und es gelang ihr trotz aller Mühe nicht, ihre Stimme wiederzufinden. Die altvertraute Panik hatte sie wieder erfaßt und schüttelte sie unbarmherzig.
    Estelle wird es erfahren. Estelle weiß es bereits.
    Mit einem Schlag waren alle ihre Vorkehrungen, Lügen und geschickten Täuschungsmanöver zunichte gemacht. Sie sprang auf Estelle zu, riß ihr Amos vom Schoß und schrie. » Hinaus ! Wenn du es wagst, meinen Sohn noch einmal zu berühren, werde ich dich … umbringen!«
    Estelle stand langsam auf. Jetzt war auch ihr Gesicht totenblaß. »Es hilft nichts, Olivia«, sagte sie ruhig und begann zu zittern, »es ist zu spät. Ich weiß jetzt, daß Jai der Vater deines Sohnes ist. Gib ihn mir zurück. Du siehst doch, daß er noch Hunger hat!« Wie als Bestätigung dieser Feststellung begann Amos durchdringend zu weinen und wand sich in Olivias Armen. Estelle nahm ihn ihr ruhig wieder ab, setzte ihn in sein Bettchen und fütterte ihn weiter.
    Vor Verzweiflung war Olivia wie gelähmt und hatte nicht die Kraft, sich gegen sie zu wehren. Langsam verwandelte sich ihr Zorn in das überwältigende Gefühl der Niederlage. Sie hatte das Spiel verloren. Sie war so töricht gewesen zu glauben, es könne anders sein. Wie immer ständen ihre Chancen viel zu schlecht. Die Hoffnungslosigkeit raubte ihr alle Kraft, und sie sank auf den nächsten Stuhl. »Warum seid ihr nicht nach Cawnpore gefahren?« fragte sie tonlos.
    »Weil John der Ansicht war, ich müsse dich aufsuchen und persönlich um Verzeihung bitten.« Estelles Worte klangen hart, als sie hinzufügte: »Ich fand, du hattest das Recht auf alle Erklärungen verwirkt, die ich dir vor dem Fest geben wollte, als du dich geweigert hast, sie anzuhören. Ich bin heute nur John zuliebe gekommen. Ich rechnete nicht mit …«, sie schluckte, und ihr Ton änderte sich, »mit Amos.« Ungewollt mußte sie schluchzen. »Ich weiß jetzt, weshalb du mich so haßt …«
    Olivia fuhr sich erschöpft mit der Hand über die Augen, und sie sagte müde: »Ich hasse dich nicht, Estelle. Ich möchte nur, daß du gehst und mich in Frieden läßt. Bitte, Estelle … geh !«
    Estelle fütterte Amos und rührte sich nicht. »Jai weiß nicht, daß er einen Sohn hat, nicht wahr?« Es war eine Feststellung, weniger eine Frage.
    Olivia lief ein Schauer über den Rücken. Sie konnte nicht antworten. Sie hatte nicht einmal mehr Kraft, wütend zu werden. Sie blieb einfach sitzen und ließ das Kinn auf die Brust sinken.
    »Deshalb mußtest du Freddie heiraten. Ich weiß inzwischen von Mamas Selbstmordversuch. Ich habe Onkel Arthur gezwungen, mir alles zu erzählen.« Amos hatte aufgegessen, Estelle wischte ihm den kleinen Mund mit dem Lätzchen ab und reichte ihm ein Spielzeug. »Wenn du abgereist wärst, hätte Mama ihre Drohung wahrgemacht und noch einmal versucht, sich das Leben zu nehmen. Aber bei dem Vater des kleinen Amos bedeutete Bleiben, einen noch größeren Skandal zu riskieren.« Estelles Stimme versagte, und die porzellanblauen Augen füllten sich mit Tränen. »Ja, du hast allen Grund, mich zu hassen. Dein Haß ist völlig

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