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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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darum, ihre Kontrolle wiederzufinden, und schluckte heftig. Es fiel ihr sichtlich schwer, weiterzusprechen. »Ich begriff, weshalb Jai mich überredet hatte, mit ihm davonzulaufen«, sagte sie leise. »Jai hatte geschworen, uns alle zu vernichten. Er wußte, keine Waffe war tödlicher als der Makel von … von …«
    »… von Inzest. Er hatte mich aufgefordert, Papa und Mama diesen Brief zu schreiben. Er sollte keinen Zweifel an unseren Absichten lassen. Sie hatten mir die Wahrheit nie gesagt. Sie wußten, ich ahnte nicht, daß Jai mein Halbbruder ist, daß wir denselben Vater haben. Jai kümmerte ein Skandal nicht im geringsten, wenn es dazu kommen sollte. Es war ihm gleichgültig und nicht weiter wichtig. Ihm war nur wichtig, daß meine Eltern in dem Glauben leben sollten, ich sei besudelt und von ihnen nicht mehr als Tochter anzuerkennen. Mehr wollte er nicht. Sie würden sich nie von diesem Schock erholen. Sie würden ewig in der geheimen Hölle eines Wissens leben, das sie mit keinem Menschen teilen konnten. Auch wenn ich später noch so sehr meine Unschuld beteuerte, würde mir niemand glauben.« Zum ersten Mal klangen Estelles Worte bitter und in der Bitterkeit tonlos. »Und niemand glaubt mir. Niemand, mit Ausnahme meines lieben, vertrauensvollen John – und vielleicht Onkel Arthur.«
    Sie lachte verzweifelt. »Du glaubst mir auch nicht, Olivia. Und deshalb findest du mich … abstoßend, nicht wahr?«
    Olivia war noch nicht bereit, diesen Vorwurf zu bestreiten. Zweifel bestürmten sie, und in ihrem Kopf brodelte es wie in einem Kessel, der jeden Moment überkochen kann. In Estelles Stimme lag etwas, dem sie sich nicht länger verschließen konnte – der unmißverständliche Klang der Wahrheit. Aber so viele Fragen blieben unbeantwortet. Ungereimtheiten waren nicht erklärt, Rätsel mußten noch gelöst und Widersprüche aufgelöst werden. Und wenn man es recht besah, dann mochten die Geständnisse ihrer Cousine noch so verblüffend sein, aber sie hatte nichts gesagt, was die Ungeheuerlichkeit von Jai Raventhornes Verrat an ihr verringerte.
    Estelle deutete ihr Schweigen falsch und richtete sich abwehrend auf. »Ich weiß, du glaubst mir nicht, aber das ist nicht weiter wichtig. Hätte ich Amos nicht gesehen, hätte ich nicht soviel von deiner Zeit in Anspruch genommen. Nur wegen Amos, so dachte ich, hast du das Recht, die Wahrheit zu kennen.« Behutsam ging sie zu der Wiege, wo Amos inzwischen eingeschlafen war. Sie strich ihm sanft über die Haare und legte die Decke über die nackten Beinchen. »Du mußt ihn sehr geliebt haben, um so viel zu riskieren, Olivia.« Estelles Stimme klang heiser.
    Olivia sah sie kalt an. »So oder so, es ist nicht länger wichtig. Ich bin die Frau eines anderen. Ich liebe Freddie vielleicht nicht, aber ich werde nie vergessen, wie gut er zu mir war.« Die kalten Augen wurden leer. »Mein Sohn trägt den Namen Birkhurst – vergiß das nie, Estelle! Meine ehemaligen Motive sind vergessen. Wenn ich abgereist bin, wird es sie nicht mehr geben.« Sie streckte die Hand aus. »Jetzt gib mir bitte den Schlüssel zurück.«
    Estelle sah sie forschend an. Aber da sie in Olivias Gesicht nicht die geringste Ermutigung entdecken konnte, zuckte sie die Schultern. »Aber natürlich.« Sie griff in das Mieder und warf Olivia den Schlüssel zu. »Noch zwei Dinge, ob es dir gefällt oder nicht. Ja, ich gebe zu, es war Wahnsinn, Papa aufzufordern, zu dem Fest zu kommen. Aber es war eine verständliche Illusion. Nach meiner Rückkehr erzählte ich Papa alles, so wie jetzt dir. Er gab vor, mir zu glauben. Oder ich habe mir eingeredet, daß er mir glaubte, weil ich mich so verzweifelt nach seiner Liebe und seinem Vertrauen sehnte. Aber Papa hat mich belogen. In meiner Naivität und meiner Unschuld sah ich nicht, daß er log. Er wollte keinen Augenblick etwas anderes, als Jai töten. Es war lachhaft, daß ich dachte, die Geste eines einfachen Händedrucks in aller Öffentlichkeit sei ein erster Schritt zur Versöhnung nach einem Leben mit so viel Haß.« Die Bitterkeit stieg wieder in ihr auf. Estelle verzog den Mund, als schmecke sie etwas Unangenehmes. »Und Jai, er …«
    »Er liebt keine Überraschungen. Ja, ich weiß. Und du hast es unterlassen, ihn auf die geplante Versöhnung der Familie vorzubereiten!«
    Estelle wurde rot. »Wenn ich es getan hätte, wäre er nicht gekommen«, erwiderte sie ehrlich.
    »Und darüber staunst du? Du hattest erwartet, ein Mann, der geschworen hat,

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