Wer Liebe verspricht
schäbig. In einer Ecke des Zimmers standen auf einem abgetretenen persischen Teppich ordentlich Musikinstrumente – vielleicht dieselben, die Olivia im Haus in Chitpur gesehen hatte.
»So?« Sujata lachte leise und anzüglich. »Ich hätte nicht gedacht, daß die Lady Memsahib und ich etwas gemein haben könnten.«
Zum ersten Mal hörte Olivia sie sprechen. Die schöne Stimme überraschte sie, aber dann fiel ihr ein, daß Sujata Sängerin war. »Ganz im Gegenteil, Sujata«, erwiderte sie leise und musterte aufmerksam das glatte Sandelholzgesicht der Frau. Die Wangen waren gerötet, aber unter der Schminke und der künstlichen Glätte sah Olivia Falten. Aus den Satinaugen sprach bittere Unzufriedenheit und nicht wie früher Liebe. Der korallenrote Mund, mit dem Olivia einst Jai Raventhornes Küsse geteilt hatte, zog sich verbittert nach unten. Sujata wirkte nicht länger jung. Sie war vielleicht noch nicht einmal fünfundzwanzig, und doch wirkte sie bereits verbraucht, der Glanz war verschwunden. Eigenartig, dachte Olivia, auch das haben wir gemeinsam! »Im Gegenteil, Sujata«, wiederholte sie mit noch mehr Nachdruck, »uns verbindet sehr viel!«
Sujata lachte wieder. Es klang häßlich. Ihre Augen richteten sich boshaft auf Olivias Leib. »Die Lady Memsahib vergleicht ihre Situation mit meiner? Ich verdiene diesen Spott kaum! Gewiß, wir sind beide verstoßen worden.« Sie warf ihr einen triumphierenden Blick zu. »Aber wie ungleich ist unser Schicksal! Könnte es sein, daß der Lady Memsahib, geblendet von Reichtum, gesellschaftlicher Stellung, einem Ehemann, Kindern – mit einem Wort allem, was eine Frau sich wünscht –, das entgangen ist?« Sie atmete heftig und wandte zornig das Gesicht ab. »Im Gegensatz zu Ihnen bin ich nicht verheiratet und werde es auch nie sein. Er hat mich drei Jahre lang benutzt, und jetzt tauge ich nur noch dazu – zu einem Beruf der Schande. Etwas anderes habe ich bei dem Sarkar nicht gelernt. Im Gegensatz zu Ihnen werde ich nie Kinder haben. Und wenn ich Kinder bekommen sollte, werden sie wie ich ehrlos und ohne einen Vater leben.« Die schwarz geschminkten Augen sprühten vor Haß und einem tiefsitzenden, inneren Glühen. »Sie sind eine weiße Mem. Ihre Leute schützen Sie. Sie überleben das Verstoßensein gut, Lady Memsahib. Bitte streuen Sie kein Salz in meine Wunden.«
»Sie irren, Sujata«, erwiderte Olivia so freundlich, wie sie es vermochte. Der Haß dieser Frau war ihr gleichgültig, sie interessierte sich für ihren Wunsch nach Vergeltung. »Auch ich habe Wunden. Uns verbindet eine gemeinsame Sache. Vielleicht haben wir Anlaß, uns für vieles zu rächen.«
»Ich habe nicht die Kraft, ihn zur Rechenschaft zu ziehen«, erklärte Sujata bitter. »Er ist wie ein Elefant, und ich bin lediglich eine Ameise.« Sie griff nach einem oft benutzten Silbergefäß und spuckte hinein.
»Aber wenn Sie die Kraft hätten, wären Sie bereit, sie auch anzuwenden?«
Sujata sah sie mißtrauisch und verständnislos an. »Ja. Ich weiß nicht, was die Lady Memsahib damit meint, aber ja doch ! Hätte ich die Kraft, dann würde ich sie benutzen.« Ihre Lippen wurden schmal, und sie sagte böse: »Ich würde ihm das Herz aus dem Leib schneiden und es essen, als Strafe dafür, daß er mich so erniedrigt hat!«
»Ich kann Ihnen die Kraft geben. Das ist nicht schwer.« Olivia nahm ein kleines Silberkästchen aus der Handtasche und öffnete es. »Zusammen sind wir unbesiegbar.«
Olivia hielt zwei kostbare Smaragdohrringe in der Hand. Sujata starrte sprachlos und wie gebannt darauf. Auf der weißen Handfläche funkelten sie wie grüne Flammen.
»Sie gehören Ihnen, wenn Sie das tun, was ich möchte.«
Sujata wandte mit Mühe den Blick von dem Schmuck und schluckte.
»Was soll ich tun?« flüsterte sie benommen.
»Es ist nicht schwer. Zuerst muß ich jedoch sicher sein, daß Sie das Nötige wissen.«
Sujata hatte inzwischen Zeit zum Nachdenken gehabt und war jetzt vorsichtiger. »Ich habe mich von meinen Gefühlen hinreißen lassen«, murmelte sie plötzlich unsicher. »Ich würde ihm nie das Herz aus dem Leib schneiden und es essen.«
»Das sollen Sie auch nicht! Sagen Sie mir, kennen Sie das Haus in Chitpur gut?«
Sie runzelte die Stirn. »Das Haus in Chitpur? Natürlich kenne ich es gut! Ich war dort einmal Herrin des Hauses.« Sie hob in unbewußtem Stolz das Kinn, und das wirkte irgendwie rührend. »Warum?«
»Könnten Sie es unbemerkt betreten?«
Sujatas Augen wurden
Weitere Kostenlose Bücher