Wer Liebe verspricht
außer sich vor Kummer. Ich …«
»Ach, das tut mir leid, Mr.Mooljee«, unterbrach sie noch einmal den lästigen Wortschwall, »aber wie kann ich Ihnen helfen?«
»Indem Sie mir als verständnisvolle Memsahib den Kredit zurückzahlen.« Er sah sie tief betrübt an. »Würde nicht die Ehre meiner Familie auf dem Spiel stehen und ich in aller Öffentlichkeit verhöhnt werden …«
»Den Kredit? Aber natürlich werde ich den Kredit zurückzahlen, Mr.Mooljee! Wie ich Ihnen bereits versichert habe, bekommen Sie das Geld sofort, wenn Lloyd’s in London mein Guthaben überwiesen hat …«
»Leider kann ich nicht so lange warten, Eure Ladyschaft!« Er rang verzweifelt die fleischigen Hände. »Ich muß das Geld noch heute haben.«
»Heute?« fragte Olivia empört. »Das ist völlig unmöglich! Sie wissen sehr gut, daß ich den Kaufpreis für das Haus bereits bezahlt habe.« Sie war nicht nur wütend, sondern auch skeptisch. Ram Chand Mooljee in echten Geldnöten? Er, der reichste Hindu-Kaufmann in der Stadt? »Bedaure, Mr.Mooljee«, sagte sie kühl und machte kein Hehl aus ihrer Verstimmung, »aber ich sehe keine Möglichkeit, Ihnen das Geld noch heute zurückzuzahlen. Wenn Sie auf einer sofortigen Bezahlung bestehen, erlaube ich Ihnen, das Diadem zu verkaufen. Sie wissen, daß es sehr viel mehr wert ist, als ich Ihnen schulde.«
Aber er erklärte, auch das könne er nicht. Wenn er auf dem Markt erschiene, wären seine familiären Probleme offenkundig. Er würde das Gesicht verlieren und seinen Ruf. Ruinöse Gerüchte seien unausweichlich, seine Frau werde vor Scham sterben, seine Kinder müßten sich entehrt in den Fluß werfen, seine …«
»Wie soll ich Ihnen helfen? Was erwarten Sie von mir?« fragte Olivia ärgerlich. »Soll ich den Schmuck verkaufen und Ihnen das Geld geben?«
Er strahlte sofort über das ganze Gesicht und fand diesen Vorschlag ausgezeichnet. »Das wäre sehr gut, sehr, sehr gut. Sie sind die Großzügigkeit in Person, Eure Ladyschaft! Soviel Güte, um einen elenden Schurken vor der größten Erniedrigung seines Lebens zu bewahren! Ich bin überglücklich.« Er betupfte sich behutsam jedes Auge mit einem Zipfel seines gefältelten Dhoti.
»Also gut!« Erregt griff sie nach der Schmuckschatulle und erhob sich. »Ich werde sehen, was sich bis morgen machen läßt. Wir werden die Quittungen austauschen, wenn Sie das Geld abholen lassen.« Er nahm ihre Entscheidung ohne Widerspruch an.
Olivia glaubte natürlich kein Wort von Mooljees Geschichte. Er hatte ihr nur wertvolle Zeit gestohlen, und noch mehr Zeit würde notwendig sein, um den unnötigen Verkauf des Diadems in die Wege zu leiten. Noch immer ungehalten ließ sie Bimal Babu aus dem Kontor kommen und beauftragte ihn mit dem Verkauf. Bimal Babu war ein hagerer, älterer Bengale, der seit der Gründung bei Farrowsham arbeitete. Ihm konnte sie völlig vertrauen.
Kaum war er mit dem Diadem gegangen, erschien ihr Bote wieder. Keiner der Bauunternehmer, die er gefragt hatte, schien in dieser Woche eine freie Minute zu haben. Zwei andere, die er aufgesucht hatte, waren ebenfalls überbeschäftigt, und ein dritter lag überraschend krank im Bett.
»Hast du doppelten Lohn angeboten?« fragte Olivia, »oder hast du mit ihnen gehandelt?«
»Ich weiß, wie dringend die Arbeiten sind, Memsahib. Ich habe nicht gehandelt. Ich habe mir sogar die Freiheit erlaubt, mehr als das Doppelte zu bieten. Aber sie ließen sich nicht zum Einlenken bewegen.«
»Hattest du den Eindruck, ihre Gründe waren nur Ausreden?«
Der Bote senkte den Kopf und nickte langsam.
Olivias Verdacht erhärtete sich. Und als Bimal Babu zurückkehrte, wurde der Verdacht zur Gewißheit. Bimal Babu berichtete, er habe das Diadem den vier führenden Schmuckhändlern angeboten – einer sei sogar ein entfernter Verwandter von ihm. Sie hätten ihm alle vier bemerkenswert ähnliche Antworten gegeben. Das Diadem sei vollkommen, die von Lady Birkhurst beigelegten Expertisen nicht anzuzweifeln, und es sei kein Mißtrauen beabsichtigt, aber ein so wertvolles Stück müsse unbedingt neu geschätzt werden. Diese Formalität – und mehr sei es nicht – könne bis zu zwei Wochen in Anspruch nehmen. Bimal Babu hatte es auf sich genommen zu fragen, ob man einen Kredit gewähren würde, bis der Kaufpreis des Schmucks festgesetzt worden sei. Aber gewiß, nur werde es mindestens eine Woche dauern, eine so große Summe in bar aufzubringen. Bald nach Bimal Babus Rückkehr ließ Willie
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