Wer liebt mich und wenn nicht warum
So eine blöde Situation aber auch! Ich komm hier echt nicht weg. Jetzt legen die sich auch noch hin und käuen wieder. UND ICH HAB HUNGER !!!!
19.30 Uhr Super. Das Abendessen ist jetzt vorbei.
19.47 Uhr Eben wackelte die Kanzel und ich dachte schon, der Stier würde seine Hörner daran wetzen, aber es war Tom.
»Wo kommst du denn her? Bist du einfach an der Herde vorbeimarschiert?«, fragte ich fassungslos und klappte ganz schnell mein Tagebuch zu.
»Musste ich ja, denn das zieht sich hier ja anscheinend noch ein bisschen hin. Wir haben mit dem Abendessen auf dich gewartet, aber du kamst nicht. Da habe ich mich mal auf die Suche nach dir gemacht. Ich habe dein Problem von fern beobachtet und eben Knut gefragt, was du tun sollst. Er lässt dir ausrichten, du müsstest warten, bis dir alle Kühe den Hintern zukehren und dann einfach losrennen. So habe ich das eben auch gemacht. Es klappt.«
»Und wenn sie mir hinterhergaloppieren?«
»Das tun die nicht. Sie kämpfen nur, wenn sie sich angegriffen fühlen. Du darfst nur niemals auf sie zugehen, aber von ihnen weg, das ist kein Problem.«
»Ooookay«, murmelte ich, aber ganz traute ich der Sache nicht.
»Na los«, ermutigte mich Tom. »Willst du zuerst? Oder soll ich den Anfang machen?«
»Gleichzeitig!«, bestimmte ich. »Dann können wir gemeinsam gegen sie kämpfen, falls Knut sich geirrt haben sollte.«
Mit ihm an meiner Seite fühlte ich mich wirklich sicherer. Trotzdem war das nur die halbe Wahrheit. Viel wichtiger: Ich wollte nicht vor Toms Augen wie ein Hase über eine Wiese voll Kuhfladen sprinten. So was kann ganz übel enden. Ich glaube, Tom hatte ähnliche Gedanken, denn er stimmte sofort zu.
Wir warteten eine Weile, bis endlich der richtige Moment kam. Keine Kuh sah uns an. Die meisten lagen am Boden, ein paar andere trotteten zu einem Wasserloch.
Tom und ich kletterten leise die Leiter hinunter und hielten kurz inne. Aber keine Kuh wandte den Kopf in unsere Richtung.
Und dann rannten wir los. Bei jedem Schritt rechnete ich damit, stampfende Hufe hinter mir zu hören und heißen Kuh-Atem in meinem Nacken zu spüren, aber so war es nicht. Die Auerochsen ließen sich ganz entspannt jede Mahlzeit noch einmal durch den Kopf gehen.
Irgendwann unterwegs stolperte ich und Tom griff nach meinerHand. Ich fing mich wieder und wir erreichten den Waldrand ohne Zwischenfall.
Dort angekommen, blieben wir nach Luft japsend stehen. Ich ließ mich an seine Schulter sinken und er legte beide Arme um mich, einfach, damit wir nicht umfielen, atemlos, wie wir waren. Na gut. Umgefallen wären wir auch alleine nicht. Aber wir haben ein bisschen Halt gesucht, als wir da standen.
»Geschafft«, sagte Tom und lachte.
Ja, dachte ich. Geschafft.
Aber ist es denn zu fassen? AUSGERECHNET in diesem Moment kreuzte Vicky auf. VICKY!!!! Wittert die so etwas? Beschattet sie Tom Tag und Nacht? Hat sie ihm einen Chip implantiert, der immer piept, wenn er mir zu nah kommt? Zutrauen würde ich es ihr. Ich will mich ja echt nicht aufregen, aber es ist wirklich nicht leicht, diese personifizierte Pestbeule zu ignorieren.
20.11 Uhr So, jetzt habe ich den Beweis. Vicky lügt.
Ja, ja, ja, ich weiß, sie ist für mich kein Thema mehr, schon klar. Es hat mich nur interessiert, ob an diesem Tipp aus meinem Buch was dran ist. Ich meine die Sache mit dem rückwärts erzählen. Das habe ich an ihr ausprobiert.
»Was machst du denn hier?«, habe ich sie gefragt, als sie so plötzlich wie aus dem Erdboden gewachsen vor Tom und mir stand. Tom ließ seine Arme sinken, als er sie sah, und das verschlechterte meine Laune ziemlich. Ich durchbohrte sie daher förmlich mit Blicken.
»Ich suche meine Sonnenbrille. Die habe ich heute früh hier irgendwo verloren.« Sie riss ganz unschuldig die Augen auf.
»Deine Sonnenbrille. Aha. Überleg doch mal, wann hattest du sie denn zuletzt?«, hakte ich nach.
»Das war so ungefähr um zehn. Da war ich im Wald und brauchte sie nicht, also habe ich sie in meinen Rucksack geschoben.«
»In welchem Wald denn?«, wollte ich wissen.
»Da hinten.« Sie zeigte in irgendeine Richtung.
»Und warum suchst du sie dann nicht da hinten?«, fragte ich scheinheilig.
»Weil ich mir ziemlich sicher bin, dass sie hier irgendwo sein muss. Als Karim und ich hier auf dieser Lichtung waren, habe ich ein paar Sachen aus dem Rucksack gezogen und dabei ist sie bestimmt rausgefallen.«
»Hmmm«, überlegte ich, scheinbar an ihrer Sonnenbrille
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