Wer liebt mich und wenn nicht warum
eine braune Masse in ein Reagenzglas.
»Hey Vicky! Erzähl doch mal, was du da gerade machst!«, ruft Tom ihr zu.
»Also«, murmelt sie, während sie ein weiteres Reagenzglas füllt. »Hier ist sozusagen die Kacke am Dampfen, das heißt, dieser Kuhfladen ist noch ganz frisch. So einen habe ich gesucht, weil darin noch keine Fliegenmaden sein können. Ich nehme jetzt zwei Proben und untersuche die nachher unter einem Mikroskop. Wenn ich da irgendetwas finde, das nicht hineingehört, geht die zweite Probe weiter an die Tierärztin. Sie stellt dann fest, was das für Parasiten sind, und legt einen Behandlungsplan fest.« Prüfend hält Vicky das Glas gegen die Sonne.
»Und was gehört da nicht rein?«, fragt Tom aus dem Off.
»Alles was aussieht wie ein Wurmei und alles, was sich bewegt, lächelt, winkt oder spricht«, meint Vicky achselzuckend.
»Unsere Vicky!«, ruft Tom begeistert. »Als hätte sie nie etwas anderes getan. Oha! Was ist das?«
Er nimmt mit der Kamera ein Wäldchen ins Visier und man sieht ein Pärchen, das im Schatten eines Baumes knutscht.
»Tja«, meint Tom. »Das sind Torsten und Stella. Eigentlich sollten sie Pflanzen sammeln und bestimmen, aber irgendwie haben sie das falsch verstanden. Na, ich will sie nicht stören, sie sollen zu Ende bringen, was sie begonnen haben. Ich schaue so lange lieber mal nach, was die Auerochsen machen.«
Szenenwechsel. Die Kamera filmt durch Blätterdickicht. Man sieht eine riesige schwarze Kuh, die mit halbgeschlossenen Augen auf der Wiese liegt und wiederkäut. Sie hat gewaltige Hörner und eine merkwürdige Frisur, die ein bisschen aussieht, als hätte sie sich den Pony selbst geschnitten. Sie zuckt mit den Ohren, um Fliegen abzuwehren.
»Eine Auerochsenkuh«, sagt Tom. Dann zeigt die Kamera den Hochsitz im Hintergrund der Kühe. »Und da sitzt Lilia.« Er zoomt näher und tatsächlich erkennt man Lilia, die auf der Kanzel sitzt und ein Buch liest. Sie sieht Tom und winkt.
»Jetzt willst du sicher wissen, wo sich unsere Psychos herumtreiben. Aber die kann ich dir nicht zeigen, die sind zu Hause geblieben und machen es sich in der Gartenlaube gemütlich. Offiziell nennen sie das Besprechung, aber sie haben sich Liegestühle aufgestellt. Keine Sorge, Sportsfreund. Nachher gehe ich rüber und stör die ein bisschen.
Okay, ich sehe gerade, die Pferde sind weitergezogen, ich kann jetzt hämmern. Also, bis morgen!«
Montag, 13. Juni
Noch ein Tipp aus meinem schlauen Buch: Einsamkeit ist in der Wildnis kein unlösbares Problem. Wenn du jemanden zum Reden brauchst, nimm einfach den Kopf deines letzten Beutetiers und unterhalte dich mit ihm!
9.00 Uhr Hmm, ein reizvoller Gedanke. Einseitiger als eine Unterhaltung wie die eben mit Maiken und Helge kann so ein Gespräch auch nicht ausfallen.
Unser dritter Tag auf der Insel. Wir sitzen gerade an dem Tisch unter der Linde vorm Haus: Maiken, Helge und ich. Die beiden wälzen psychologische Fachbücher und feilen an irgendwelchen Texten für die Infotafeln. Auf all meine Gesprächsangebote reagieren sie genervt. Ich weiß ja nicht, ob ihr Verhalten psychologisch gesehen einwandfrei ist, ehrlich gesagt habe ich da meine Zweifel. Aber sie sagen, sie seien zwar für die Stimmung im Team verantwortlich, aber nicht rund um die Uhr. Und sie seien keine Therapeuten. Und schon gar nicht MEINE Therapeuten. Pfff.
Ich habe fast den Eindruck, als wollten mich die beiden loswerden.
Eben hatte ich mir eins ihrer Psycho-Bücher geschnappt, einbisschen darin gelesen und mir eigene Gedanken dazu gemacht. Dann wollte ich Maiken und Helge an den Perlen meiner Weisheit teilhaben lassen. Ich hätte diese aber ebenso gut vor die Säue werfen können.
»Boah, wusstet ihr das?«, rief ich. »Man kann selbst mit wissenschaftlichen Methoden nicht zweifelsfrei feststellen, ob jemand lügt. Nicht mal mit einem Lügendetektor.«
Jetzt sahen sie auf. Ihre Blicke konnte man aber nicht anders als gequält nennen. Okay, sie wussten ja auch noch nicht, was für einen Knüller ich in diesem Buch entdeckt hatte.
»Es gibt beim Menschen kein einziges eindeutiges Anzeichen für eine Lüge. Aber es gibt einen Trick, mit dem man ziemlich sicher herausfinden kann, ob jemand die Wahrheit sagt.«
Jetzt hätten die beiden ihre Bücher sinken lassen müssen. Um atemlos zu fragen, wie dieser Trick geht. Doch sie taten nichts dergleichen.
»Also«, sagte ich trotzdem fröhlich, denn ich wollte ihnen das jetzt einfach erzählen. »Man lässt sein
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