Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer liebt mich und wenn nicht warum

Wer liebt mich und wenn nicht warum

Titel: Wer liebt mich und wenn nicht warum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Andeck
Vom Netzwerk:
  So, jetzt bin ich auf dem Hochsitz.
    Simon ist schon ein seltsamer Typ.
    »Na, wie geht’s?«, habe ich ihn gefragt, als ich kam, um ihn abzulösen.
    »Bestens. Ich könnte Räume ausbeißen«, hat er geantwortet. Und dann hat er mich gefragt, ob ich eine »Schniselhasnutte« will. Er meinte eine Haselnussschnitte. Puh.
    Vor mir liegen jetzt schon wieder diese Kopien mit dem Lageplan unserer Insel. Alle halbe Stunde muss ich in einen dieser Pläne einzeichnen, wo die Herde gerade grast, genau wie gestern. Und morgen. Und übermorgen. Genau genommen muss ich also im Halbstundentakt neun Punkte in eine Karte malen, das ist alles. Wenn die Herde so weit weg ist, dass ich sie von hier aus nicht mehr sehen kann, muss ich runterklettern undim Schutz der Bäume zum nächsten Hochsitz hoppeln. Und das tu ich jetzt zwei Wochen lang. Sechs Stunden täglich. Zum Schluss werden all diese Daten in einen Computer eingegeben und man kann an der Pünktchenanhäufung an verschiedenen Stellen sehen, wo auf der Insel die Auerochsen selten grasen und wo oft, und auch, ob sie zu bestimmten Tageszeiten bestimmte Weiden bevorzugen. Na, das wird die Welt bestimmt gravierend verändern.
    Ich wollte ja eigentlich viel mehr über Auerochsen herausfinden, aber Knut sagte, man müsse wissenschaftliche Fragen in ganz viele Detailfragen zerlegen und deswegen seien solche Freilandstudien leider oft sehr eintönig. Ich finde, »eintönig« ist noch sehr freundlich ausgedrückt. Mir würden dazu härtere Wörter einfallen.

    Ich frage mich, ob ich hier vielleicht irgendwo mein Gehirn abgeben oder deponieren könnte, ich brauche es in den nächsten zwei Wochen einfach nicht und es ist mir im Weg.
    Ich habe jetzt übrigens mehr Verständnis für Wissenschaftler, die Heuschrecken Star-Wars-Filme zeigen. Ich persönlich würde den Auerochsen auch gern irgendwelche Filme vorführen, da könnte ich wenigstens mitgucken.
    17.30 Uhr   Jammerschade, dass ich das Verhalten der Auerochsen nicht dokumentieren soll. Gerade wurde ich zufällig Zeugin einer Szene, in der der Stier eine der Kühe erobert hat. Jungs könnten davon echt was lernen!
    Also, der Stier näherte sich der Kuh wie zufällig. Wenn sie fraß, dann fraß auch er. Wenn sie sich kratzte, juckte es ihn plötzlich an derselben Stelle. Hielt sie einen Moment inne und blicktein die Ferne, dann hörte auch er auf zu fressen und schaute in dieselbe Richtung. Mehr war offenbar gar nicht nötig. Sie fühlte sich echt verstanden von ihm. »Du bist wie ich«, muss sie gedacht haben. Immer öfter schielte sie von nun an zu ihm rüber, ließ ihn immer näher kommen und irgendwann gab sie sich ihm willig hin. Raffiniert! Könnte auch beim Menschen klappen.
    18.00 Uhr   Gerade geht mir ein Licht auf. Nicht nur eins, ein ganzes Feuerwerk! Das ist ja genau Vickys Taktik. So macht sie es mit Tom! Dass mir das noch nie aufgefallen ist!
    Es gibt nämlich zwei Vickys: Die eine erleben wir immer, wenn Tom nicht da ist. Die redet wie aufgezogen, und zwar echt nur Müll. Diese Vicky teilt aus und lässt jeden, den sie für schwächer hält, wie einen Idioten aussehen. Nur wenn sie jemanden toll findet, so wie Torsten, dann schmiert sie diesem Jemand Honig um den Mund. Und faul ist diese Sorte Vicky! Nie packt sie freiwillig irgendwo mit an.
    Aber sobald Tom auftaucht, haben wir eine ganz andere Vicky vor uns. Ein cooles Naturmädel, schweigsam, zurückhaltend, das überall mit anpackt, wo Not an der Frau herrscht, das lächelnd Kuhfladenpröbchen in Reagenzgläser löffelt und zu jedem nett und freundlich ist. Und neuerdings interessiert sie sich sogar total für Island. Und für Hunde. Und sie hat gestern Abend auch noch behauptet, dass sie wahnsinnig gern Zäune baut.
    Das war denn doch zu dick aufgetragen. Da hat sogar Harri eine Augenbraue hochgezogen.
    Aber Tom hat nicht gelacht. Er hat gelächelt.
    Gut, dass mir das inzwischen egal ist. Ich kann das ja jetzt trennen. Mit ihm und mir hat das nichts zu tun.
    Ich. Kann. Das. Trennen.
    18.45 Uhr   So langsam werde ich nervös. Um sieben endet meine Schicht und ich könnte runterklettern und rechtzeitig zum Abendessen beim Haus sein. Aber das geht nicht. Die Auerochsen grasen nämlich genau unter mir.
    18.55 Uhr   Diese Hornochsen haben sich seit eineinhalb Stunden keinen Zentimeter wegbewegt. Was mache ich denn, wenn die sich jetzt hinlegen und die Nacht unter meinem Hochsitz verbringen? Darüber hat der knusprige Knut nichts gesagt.
    19.00 Uhr

Weitere Kostenlose Bücher