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Wer liebt mich und wenn nicht warum

Wer liebt mich und wenn nicht warum

Titel: Wer liebt mich und wenn nicht warum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Andeck
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hat, weswegen wir alle ein paar Minuten lang auf sie gewartet haben. Das fand Fritzi unhöflich. Dass Lilia auf dem Hochsitz festsaß und nichts dafür konnte, war ihr egal. Fritzi will einfach Stunk, dann fühlt sie sich in ihrem Element. Ich hatte kurz überlegt, ob ich mal mit ihr über Lilia reden sollte, aber Simon hat das übernommen. Er hat ein ewig langes Problemgespräch mit ihr geführt. Ein bisschen frage ich mich ja, was ihn das eigentlich angeht.«
    Tom legt die Stirn in Falten und denkt eine Weile darüber nach. Dann wird ihm bewusst, dass die Kamera immer noch läuft, und er lächelt. »Das willst du alles gar nicht wissen, oder?«, fragt er. »Okay, zu den wirklich wichtigen Infos. Ich bin heute etwa siebzehn Mal unter einem Vorwand an Maiken und Helge vorbeigelaufen, ohne dass sie vorher mit mir rechnen konnten. Mir brennen die Füße, weil ich wegen dir so viele Kilometer zurückgelegt habe. Und weißt du was? Jedes Mal, wenn ich vorbeikam, haben sie gearbeitet. Alles klar? Ich verspreche dir, ich bleib dran. Na denn, bis morgen!«

Dienstag, 14. Juni
    Können Männer und Frauen Freunde sein? Bei Auerochsen nicht. Auerochsenkühe freunden sich zwar oft mit anderen Kühen an und bleiben ihren besten Freundinnen ein Leben lang treu. Für den Stier aber interessieren sie sich nur in der Paarungszeit.
    Bei Menschen ist das anders. Bei ihnen können Männer und Frauen ohne Hintergedanken befreundet sein und das liegt an der menschlichen Nase.
    9.10 Uhr   Ich sitze auf dem Steg am Haus, schaue auf den See und denke über das menschliche Riechorgan nach. Wasserläufer huschen auf dünnen Beinen über die ruhige grüne Wasseroberfläche. Im Schilf gibt ein Blässhuhn tuckernde Geräusche von sich. Ein Frosch hat sich im kühlen Schmodder eingegraben und beobachtet mich mit Glubschaugen. Der einzige Mensch weit und breit bin ich. Ich bin ja auch wieder mal der einzige Mensch auf dieser Insel mit Spätschicht.
    Aber heute ist mir das egal. Heute bin ich froh über meine Einsamkeit. Ich muss nämlich nachdenken, und zwar über die letzte Nacht und über die menschliche Nase.
    Alle Säugetiere haben in der Nase nämlich ein zweites Riechorgan, mit dem sie geruchlose Sexuallockstoffe wittern können. Und wenn sie damit etwas wahrnehmen, dann läuft zwischen Männchen und Weibchen so eine Art automatisches Programm ab. Die können gar nicht mehr anders, die wollen Sex.
    Beim Menschen ist dieses Organ verkümmert, und deswegen, wirklich nur deswegen können Männer und Frauen ganz normal befreundet sein, ohne immer gleich mehr zu wollen. Tom und ich sind der lebende Beweis dafür. Wir haben die letzte Nacht im selben Bett verbracht und es ist überhaupt nichts passiert. Habe ich heute Nacht Lockstoffe verströmt? Keine Ahnung, so was macht man ja unbewusst. Und ich weiß auch nicht, ob Tom was ausgeströmt hat. Aber egal, was er oder ich an chemischem Charme versprüht haben, es hat nichts bewirkt. Heute früh bin ich einfach aus seinem Zimmer geschlichen und alles war wie immer. Der Nase sei Dank.
    Ist sie vielleicht das Geheimnis unserer menschlichen Kultur? Der Meilenstein in unserer Entwicklung, noch vor der Zähmung der Kuh? Hatten Menschen vielleicht nur deswegen genug Zeit, um Kühe zu zähmen und Räder zu erfinden, weil sie nicht dauernd auf Fortpflanzung aus waren? Weil Männer und Frauen Freunde sein und zusammenarbeiten konnten?
    Nehmen wir nur mal unsere Situation hier auf der Insel. Wie könnten wir wissenschaftlich arbeiten und in Kuhfladen herumstochern, wenn wir uns gegenseitig dauernd mit Sexuallockstoffen belästigen und in Paarungsbereitschaft versetzen würden? Das könnten unsere Eltern und Lehrer auch gar nicht verantworten. Zum Glück ist es aber nicht so.
    Tom konnte mir heute Nacht eine echte Hilfe sein, als ich in Bedrängnis geriet, und ich konnte seine Hilfe annehmen,ohne dass das für uns beide irgendwelche Folgen hatte. Ja, so war das.
    9.40 Uhr   Es ist schön hier auf dem Steg. Kleine, fast durchsichtige Fische knabbern unten im Wasser an einem moosigen Stein.
    Ich sinne so vor mich hin und frage mich, ob mir irgendwas von heute Nacht peinlich sein sollte. Es gibt echt ein paar Momente, an die ich nicht gern zurückdenke. Andererseits hatte ich mich ja überhaupt nicht im Griff, ich konnte nichts an meinem Verhalten ändern. Ich war wie ich bin, Lilia in freier Wildbahn, und die dreht anscheinend in Gefahrensituationen komplett hohl. Vermutlich muss ich das einfach

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