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Wer lügt, gewinnt

Wer lügt, gewinnt

Titel: Wer lügt, gewinnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrícia Melo
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lassen, die Verabreichung des Serums so lange wie möglich hinauszuzögern.
    Dank Fúlvia ging es mit dem theoretischen Teil unseres Plans gut voran. Hotel, Landkarte, alles okay, Serumreserven, Bestände, alles war haarklein durchgecheckt worden.
    Am meisten Arbeit bereitete die Klapperschlange. Wenn es darum ging, anzugreifen und zu fressen, zeigte sie nicht die geringste Motivation. Mehrere Tage lang warfen wir Mäuse ins Terrarium, keine Reaktion. Alles war für Freitag geplant, wir hatten nicht mehr viel Zeit. Laß es uns mit Küken versuchen, schlug Fúlvia vor. Wir probierten es mit gelben Küken. Nichts. Kröten. Nada. Mittwoch, Donnerstag, die Zeit wurde knapp. Immer mit der Ruhe, sagte Fúlvia, sie ist nur verschreckt. Weitere Hühner, nichts, ein kleines weißes Kaninchen, nichts, ein halbtotes Karnickel, noch mehr Mäuse, übrigens mußten wir die Mäuse aus dem Terrarium entfernen, sie hätten uns sonst noch auf der Nase herumgetanzt.
    Am Freitag stimmte Fúlvia mir zu. Mit dieser Schlange wird das nichts, sagte sie, wir müssen sie austauschen. Klau eine andere, schlug ich vor. Es sei unmöglich, eine weitere Schlange aus dem Institut zu entwenden, erklärte Fúlvia. Die neuen Sendungen waren bereits katalogisiert worden. Wenn ich das tue, sagte Fúlvia, gehen wir ein Risiko ein.
    Ein wissenschaftliches Verbrechen macht immer besonders viel Arbeit. Nicht umsonst erledigen Mörder die Angelegenheit lieber mit einer automatischen Pistole.

12
    Fúlvia hatte irgendwann einmal von einer geheimen Schlangenzucht in Atibaia, knapp siebzig Kilometer von São Paulo entfernt, gehört. Sie telefonierte ein bißchen herum, und es gelang ihr, die genaue Adresse in Erfahrung zu bringen. Das Auto hatte kein Benzin mehr; bevor wir São Paulo verließen, mußten wir tanken. Bitte nicht die Scheiben waschen, sagte sie zum Tankwart, wir haben’s eilig.
    Innerhalb von weniger als einer Stunde erreichten wir die Fazenda Esperança. Wir wurden von einem Mann empfangen, der entweder erkältet war oder eine Allergie hatte, jedenfalls war seine Nase rot; er hieß Seu Lelé. Die Schlangen befanden sich in einem von mehreren Schichten Drahtgeflecht umgebenen Bau neben dem Büro der Fazenda. Seu Lelé packte die Schlangen am Genick; er wollte, daß wir uns ihre Impfstoff liefernden Giftzähne anschauten. Er zeigte uns eine zwei Jahre alte Jararaca; dieses Vieh ist der leibhaftige Teufel, erklärte er. Genau die kauften wir. Haben Sie auch Kröten da?
     
    Wir kehrten nach São Paulo zurück, Fúlvia setzte mich zu Hause ab, sie war die Ruhe selbst. Auf meinem Tisch lag ein Fax von Wilmer. Ich las es gar nicht erst, knüllte es zusammen und warf es in den Papierkorb. Für meine Mutter machte ich einen Nachmittagsimbiß zurecht und setzte sie darüber ins Bild, daß ich zwei Tage nicht da sein und daß Tante Mercedes kommen und ihr Gesellschaft leisten würde.
    Ich duschte, zog mich an, packte meinen Koffer. Um zwei Uhr stand ich bei der Autovermietung in der Nähe von meiner Wohnung auf der Matte. Ich wählte einen Wagen zum niedrigsten Tagestarif. Den Koffer und die Kisten mit der Jararaca und der Kröte verstaute ich im Kofferraum und fuhr auf die Autobahn. Noch vor fünf Uhr nachmittags kam ich in São Francisco an. Ein mitten in den Bergen verlorenes Städtchen, völlig ohne jeden Reiz. Allein der Anblick machte mich ganz niedergeschlagen. Ich bog auf die Schotterpiste ein; sie war noch viel schlimmer, als wir uns vorgestellt hatten. Ich fand es wirklich zum Kotzen hier, diese Hütten, der Dreck, die Hühner, die Schweine, Strohhüte, die Dummheit und die Gutmütigkeit, all das deprimierte mich ungemein.
    Das Hotel war eine ehemalige Kaffeeplantage mit einem riesigen Herrenhaus, in dem sich die komfortableren und teureren Zimmer befanden, und einigen im Wald verstreuten Betonbaracken, Modell Und-du-kannst-sehen-wo-du-bleibst, die sie als Chalets bezeichneten. Die Geschäftsführerin, Dona Iolanda, war eine pummelige Frau von vierzig Jahren mit dunkler Haut und blond gefärbtem Haar. Dieser Typ Frau sollte sich nicht das Haar färben, der Kontrast zwischen dem Blond des Haars und der dunklen Hautfarbe gibt ihrem Aussehen etwas Jämmerliches, ich habe nie verstanden, weshalb die Frauen ihrem Haar eine andere Farbe verpassen müssen. Ich fragte, ob ich mir ein Zimmer aussuchen dürfte.
    Sie dachte, jemand wie ich, der aus São Paulo kam, wollte Ruhe, und bot mir ein abgelegenes Apartment an. Ich erklärte ihr, daß mein Problem

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